Eugenie Marlitt (1825-1887)

Friederike Henriette Christiane Eugenie John war eine Erfolgsautorin, die unter dem Pseudonym Eugenie Marlitt bekannt wurde. Sie genoss zu ihren Lebzeiten große Anerkennung, geriet aber nach ihrem Tod in Vergessenheit. Sie gilt als wichtige Vertreterin des Frauenromans im 19. Jahrhundert. Sie trug wesentlich dazu bei, Frauen, die sonst nicht lasen, als Lesepublikum zu gewinnen.

Eugenie wurde als zweites von fünf Kindern in Arnstadt geboren. Ihr Vater war Leihbibliothekar, ihre Mutter bildende Künstlerin. Die Familie hatte immer wenig Geld. Eine Schulbildung für alle Kinder war nicht zu finanzieren. Da Eugenie schon als Kind gerne und gut Musik machte, begann sie nach einigen Schuljahren eine Musik-Ausbildung bei der Fürstin Mathilde von Schwarzburg-Sondershausen. Später, etwa 1844, begann sie eine Ausbildung zur Opernsängerin am Wiener Konservatorium. Eugenie litt unter großem Lampenfieber, was ihr sehr zu schaffen machte. "Wenn ich es auch für eine der herrlichsten Aufgaben halte, seinen Mitmenschen die Schöpfungen großer Meister vorführen zu dürfen, so fehlt mir doch dazu gänzlich der Mut." (1)

Eugenie gab ihre Musikkarriere mit etwa 28 Jahren auf. Nicht nur wegen ihres übergroßen Lampenfiebers - sie wurde auch zunehmend schwerhörig. Zahlreiche Kuren halfen nicht. Sie arbeitete von diesem Zeitpunkt an als Buchvorleserin und Reisebegleiterin für Fürstin Mathilde und begann, Romane zu schreiben. Mit 40 Jahren hatte sie ihren ersten Erfolg als Autorin. Ihre Romane haben einfache Handlungen und handeln von Liebe und Schmerz. In den Werken spiegeln sich die Haltungen und Sehnsüchte vieler Menschen dieser Zeit wider.

In ihrem Roman "Goldelse" von 1866 ist eine der Protagonistinnen eine Frau mit Behinderung. Helene vom Walde ist eine sensible, musisch begabte Frau mit einer Körperbehinderung. Sie wird als "kleines und verkrüppeltes Wesen" beschrieben. Helene hofft, von einem Feldherrn geliebt zu werden. Dieser soll es jedoch nur auf ihr Erbe abgesehen haben. Helene wird aufgrund ihrer Behinderung als "schwer Heimgesuchte" bezeichnet. Als schwer Heimgesuchte kann sie keine Liebesbeziehung haben, vermittelt die Autorin. Einem sogenannten "verkrüppelten Wesen" könne man keine Liebe einflößen. Den Gegenpart zu Helene stellt Elisabeth dar, eine "überirdische" Schönheit. Der Roman gibt sowohl die Meinung der Autorin, als auch die Haltung vieler Menschen des 19. Jahrhunderts gegenüber Menschen mit Behinderungen wieder.

Eugenie Marlitt erkrankte in späteren Jahren, zusätzlich zu ihrer Schwerhörigkeit, an den Gliedmaßen und Gelenken. Sie konnte die betroffenen Glieder nicht mehr frei bewegen. Auch das Stehen und Gehen wurde immer schwerer. "Mitten in dem an sich sonnigen Hofleben, von dem sie oft und gern erzählte bis zu ihren letzten Stunden, merkte sie an ihren kleinen weißen Händen mit den zierlichen Fingern eigentümliche, wenn auch völlig schmerzlose Verdickungen der Gelenke, die sich bald auch in den Knien und Knöcheln einstellten." (2)

Die Gelenke wurden immer unbeweglicher. Es wird vermutet, dass sie an Rheuma, Arthritis oder Gicht litt. Die Schriftstellerin war zunehmend auf einen Rollstuhl angewiesen, den sie "Fahrstuhl" nannte. 1863 gab sie ihre Stellung als Gesellschafterin und Reisebegleiterin auf und zog zunächst zu ihrem Bruder nach Arnstadt. Da sie mit ihren Romanen sehr gut verdiente, konnte sie mit 46 Jahren in die "Villa Marlitt" umziehen. Damit erfüllte sie sich einen Traum. Das Haus war für sie nach ihren eigenen Plänen so gebaut worden, dass sie sich dort gut allein bewegen konnte. Heute nennt man diese Bauweise "barrierefrei". (3)

Quellen:
1: Website Spiegel Online: Eugenie John-Marlitt. Ihr Leben und ihre Werke, (abgerufen am 24.09.2010)

Website Spiegel Online: Onlineversion des Romans "Goldelse" (abgerufen am 27.09.2010)

2: Kaster-Bieker, Hedwig, Mayer, Anneliese (2001): berühmt-beliebt-behindert. Außerordentliche Frauen im Porträt. (Hg.) Bundes Organisationsstelle behinderter Frauen, ein Projekt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Trägerschaft von bifos e. V.