Neuzeit

(1500 nach Beginn der Zeitrechnung bis Anfang des 20. Jahrhunderts)

Erste staatliche Einrichtungen entstehen

In der Neuzeit setzte sich in Europa zunehmend ein weltliches gegen das christliche Weltbild durch. Krankheit wurde immer seltener als Strafe Gottes und immer öfter als medizinisches Problem betrachtet. In vielen Ländern fand ein solches Umdenken statt. In Europa wird dieses veränderte Denken, das sich in der Kunst, der Politik und vielen anderen Bereichen niederschlug, mit dem Begriff "Moderne" beschrieben. Zu den bestehenden kirchlichen Institutionen wie den Waisenhäusern für Kinder oder der sogenannten Armenpflege kamen nun staatliche Einrichtungen hinzu.

Die Arbeitskraft von Männern wiederherstellen

In der Neuzeit waren es infolge von Kriegen auch neue Personengruppen, die Krankheiten und körperliche Einschränkungen hatten: Beispielsweise verloren Soldaten bei Kriegseinsätzen häufig Gliedmaßen und konnten nicht mehr arbeiten. Für diese, häufig jungen, Männer wurden neue Einrichtungen aufgebaut, in denen sie Unterstützung erhielten. Ziel war es, ihre Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Heute nennen wir diese Form der Unterstützung "Rehabilitationsmaßnahme". Der Grund für diese Einrichtungen war nicht nur die Idee, dem einzelnen Menschen zu helfen. Vielmehr sollten durch diese staatlichen Unterstützungsleistungen möglichst viele Menschen wieder arbeitsfähig und soziale Unruhen in der Bevölkerung vermieden werden.

Die Folgen der Industrialisierung

Im Laufe der Zeit hatten sich auch die Arbeitsbedingungen verändert. Mehr Menschen als früher arbeiteten in Fabriken und weniger Menschen zusammen mit der eigenen Familie in Handwerksbetrieben oder der Landwirtschaft. Die Veränderungen des Wirtschaftssystems, die weitreichende Folgen für die Menschen hatten, werden unter dem Begriff "Industrialisierung" zusammengefasst. Viele Menschen zogen in die Nähe der Fabriken, um kurze Arbeitswege zu haben. Eine Folge dieser Entwicklung war, dass weniger Menschen als vorher von ihren Familien unterstützt werden konnten, wenn sie zum Beispiel krank waren. Gleichzeitig litten die in den industrienahen Wohngebieten lebenden Menschen unter neuen Krankheiten und Behinderungen, die durch die häufig schlechten hygienischen Bedingungen hervorgerufen wurden.

Menschen werden in Gruppen eingeteilt

Die Arbeitskraft jeder und jedes Einzelnen zu erhalten, war für den Staat wichtiger geworden. Entsprechend änderten sich auch die Politik und die Gesetze. Das soziale System wurde ausdifferenziert. Mediziner und Politiker begannen, zwischen unterschiedlichen Zielgruppen für und Zielen von Unterstützungsleistungen zu unterscheiden: Männer, Frauen, Kinder, arme und reiche, arbeitende und arbeitslose Menschen hatten unterschiedliche Möglichkeiten, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Der Anspruch auf staatliche Leistungen war zudem häufig daran gekoppelt, ob jemand als in Zukunft wahrscheinlich wieder arbeitsfähig galt. So waren in der Armengesetzgebung in Preußen von 1891 körperbehinderte Frauen, Kinder und Männer ausgenommen von medizinischer Versorgung, von Ausbildung und beruflicher Rehabilitation. In Zusammenhang mit diesen Unterscheidungen und Spezialisierungen wurden am Ende der Neuzeit große Vereine und Anstalten der sogenannten Irren-, Krüppel- und Gebrechensfürsorge gegründet. Die Sozialgesetze entstanden (Krankenversicherungsgesetz (1883), Unfallversicherungsgesetz (1884), Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz (1889)).

Gesundheit und Krankheit lagen zu dieser Zeit vor allem in den Händen der Ärzte und Ärztinnen.