Gegen Aussonderung – für Selbstvertretung: zur Geschichte der Behindertenbewegung in Deutschland

Swantje Köbsell
(Text beruht auf einem Vortrag beim ZeDis Hamburg, 2006)

Vorbedingungen

Bei Ende des zweiten Weltkrieges waren viele tausend behinderte Menschen Opfer der „Euthanasie“ (1) der Nationalsozialisten geworden, Infrastruktur für Menschen mit Behinderungen gab es kaum. Andererseits gab es durch den Krieg und seine Folgen viele beeinträchtigte Menschen, die versorgt werden mussten. So waren die Organisationen der Kriegsopfer („Kriegsbeschädigten“) und Hinterbliebenen die ersten, die ihre Arbeit wieder aufnahmen (2). Die „Zivilbeschädigten“ spielten zunächst in der öffentlichen Wahrnehmung keine Rolle. 1955 erfolgte als erste Gründung einer Organisation für diesen Personenkreis die der „Sozialhilfe für Querschnitts- und Kindergelähmte“, allerdings auch durch einen behindert (querschnittgelähmt) aus dem Krieg Zurückgekommenen (vgl. Fränkische Nachrichten vom 24.05.2003).

In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Vereinsgründungen; in der Regel Elternvereinigungen, die sich auf eine bestimmte Art der Beeinträchtigung bezogen. 1958 wurde die Bundesvereinigung „Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ (3) gegründet, ungefähr zeitgleich gründeten Eltern von Kindern mit spastischen Lähmungen den “Verband Deutscher Vereine zur Förderung spastisch gelähmter Kinder“ (4). Ziel dieser schädigungsbezogenen Elternvereinigungen, die oftmals gemeinsam mit Medizinern ins Leben gerufen wurden, war dafür zu sorgen, dass die behinderten Kinder gefördert, aber auch die Familien entlastet wurden. An eine Integration behinderter Kinder in Regelkindergärten und –schulen wurde nicht einmal gedacht, und so entstand sukzessive ein Netz von Sonderkindergärten und –schulen, später dann auch von sog. Beschützenden Werkstätten für Behinderte.

In den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren traten zwei Ursachen von „ziviler“ Behinderung besonders hervor: Kinderlähmung (Poliomyelitis) und Contergan. An Polio erkrankten vor Einführung der Schluckimpfung im Jahr 1962 jährlich mehrere Tausend Menschen. So wurden noch 1961 in Deutschland (West) 305 poliobedingte Todesfälle gemeldet sowie 4461 Personen, bei denen nach einer Infektion Lähmungserscheinungen zurückgeblieben waren (5).

Das Schlafmittel Contergan wurde von 1957 bis 1961 hauptsächlich in der BRD und Großbritannien vertrieben. Angeblich nicht fruchtschädigend und deshalb besonders empfohlen für Schwangere, wurde das Medikament ein echter Verkaufsschlager. 1960 mehrten sich Berichte über Fehlbildungen, insbesondere der Gliedmaßen, bei Neugeborenen nach Einnahme von Contergan während der Schwangerschaft. 1961 wurde der Zusammenhang nachgewiesen und das Medikament vom Markt genommen. In Deutschland wurden ca. 4000 durch Contergan beeinträchtigte Kinder geboren, von denen ungefähr 2800 überlebten (6). Über das Schicksal der „Contergankinder“ wurde ausgiebig in den Medien berichtet, wodurch das Thema „Behinderung“ eine neue Bewertung erfuhr: Behinderung wurde nicht mehr nur als ein persönliches Schicksal, sondern als gesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen (7). In Folge der „Contergankatastrophe“ wurde die Aktion Sorgenkind gegründet.

Aufbruch/Erwachen

Die Kinder der Gründer der Elternvereinigungen wurden älter. Die Bundesrepublik wurde von den Auswirkungen der Studentenbewegung erschüttert, die Frauenbewegung entstand. Auch die behinderten Jugendlichen kamen in den Sog dieser gesellschaftlichen Aufbruchsstimmung und suchten nach Betätigungsfeldern außerhalb der von Eltern und Fachleuten dominierten Vereine. 1968 gründete sich der „Club 68“, der Vorläufer der „Clubs Behinderter und ihrer Freunde“ (Cebeef). In den Clubs trafen sich jüngere behinderte und nichtbehinderte Menschen, um in partnerschaftlichem Zusammenwirken Vorurteile abzubauen und gegenseitiges Verständnis zu fördern (vgl. Waldschmidt 1984, 31). Lag der Schwerpunkt der Arbeit der Cebeefs zunächst auf der gemeinsamen Freizeitgestaltung, brachten sich die Clubs zunehmend auf kommunalpolitischer Ebene ein, um Barrieren im Alltag abzubauen. Von denen gab es Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts viele: ungenügende Hilfsmittelversorgung, fehlende Zugänglichkeit öffentlicher Verkehrsmittel, keine rollstuhlgeeigneten Wohnungen und keine ambulanten Hilfen, um nur einige zu nennen. Es wurde ernsthaft über die Frage „Sollen, können, dürfen Behinderte heiraten?“ nachgedacht (Kluge/Sparty 1977) wie auch darüber, ob Körperbehinderte Auto fahren „sollen, können, dürfen“ ( N.N. 1979a, 3). Wer im Alltag regelmäßig auf Hilfen angewiesen war, hatte die „Wahl“ zwischen dem Heim, das oftmals auch ein Altenheim war, und der Versorgung durch die Familie.

Behinderung wurde vor allem aus einem medizinischen Blickwinkel betrachtet und oftmals mit Krankheit gleichgesetzt. Es gab aber durchaus auch schon Stimmen, die „Behinderung“ eine soziale Komponente zuschrieben, Auswirkungen auf die gesellschaftliche Realität behinderter Menschen hatte dies jedoch nicht.

Auch behinderte Menschen merkten mehr und mehr, dass nicht ihr körperlicher Zustand für ihre Ausgrenzung verantwortlich war, sondern eine Gesellschaft, die sie ausgrenzte – und dass sie sich dagegen wehren konnten und mussten. Die Erkenntnis, dass seine Lebenssituation politisch verursacht war, führte z.B. Gusti Steiner 1974 zusammen mit dem nichtbehinderten Publizisten Ernst Klee in die Frankfurter Volkshochschule, wo sie in Kursen mit behinderten und nichtbehinderten Teilnehmer/innen dem Problem zuleibe rücken wollten. Die Gruppe führte für die damalige Zeit unerhört provokative Aktionen durch: Sie blockierten die Straßenbahn, brachten selbsttätig eine Rampe an ein nicht zugängliches Postgebäude an und verliehen einige Male die „Goldene Krücke“ an die jeweils „größte Niete der Behindertenarbeit“. Auch wenn sich die Aktivitäten vornehmlich gegen architektonische Barrieren richteten, waren Behinderte, die sich wehrten, ein absolutes Novum.

Ein noch stärker politisiertes Herangehen an das Thema „Behinderung“ hatten die ab 1978 um Franz Christoph und Horst Frehe gegründeten Krüppelgruppen. Gemeinsam entwickelten sie den „Krüppelstandpunkt, in dem die Unterdrückung Behinderter als sexuelle Versklavung begriffen wurde. Angestrebt war nicht die Partnerschaft mit Behinderten, sondern die Konfrontation (Frehe 1997, 14)

Auf diesem inhaltlichen Hintergrund erfolgte zunächst die Gründung der Bremer Krüppelgruppe, der weitere in anderen Städten folgten. Schon der Name war Provokation und als solche auch gedacht:
„Immer wieder werden wir danach gefragt, warum wir uns als Krüppel bezeichnen (...) Der Begriff Behinderung verschleiert für uns die wahren gesellschaftlichen Zustände, während der Name Krüppel die Distanz zwischen uns und den sogenannten Nichtbehinderten klarer aufzeigt. Durch die Aussonderung in Heime, Sonderschulen oder Rehabilitationszentren werden wir möglichst unmündig und isoliert gehalten. Andererseits zerstört die Überbehütung im Elternhaus jede Möglichkeit unserer Selbstentfaltung. Daraus geht hervor, daß wir nicht nur behindert (wie z.B. durch Bordsteinkanten), sondern systematisch zerstört werden. Ehrlicher erscheint uns daher der Begriff Krüppel, hinter dem die Nichtbehinderten sich mit ihrer Scheinintegration ("Behinderte sind ja auch Menschen") nicht so gut verstecken können.“ (N.N. 1982,2)

Die Krüppelgruppen blieben Nichtbehinderten verschlossen. Nach dem Vorbild der Frauengruppen wollte man zunächst unter sich „gemeinsame Analysen von Zerstörungen“ (Frehe 1984, 118) vornehmen. Als nächste Schritte sollten dann ein „gemeinsames Verändern der Alltagsrealität und gemeinsamer Widerstand gegen die uns zerstörenden Strukturen“ (ebd.) erfolgen. Dies ging nur ohne Nichtbehinderte, die als Nichtbetroffene ohnehin nicht mitreden konnten, aber auch auf dem Hintergrund des Machtgefälles zwischen Behinderten und Nichtbehinderten. Der Ausschluss Nichtbehinderter sollte vermeiden, dass sich die bekannten Machtstrukturen zu Lasten der Behinderten wiederholten; er war aber auch Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins. War schon die Wahl des Wortes „Krüppel“ eine Provokation, so war es der Ausschluss Nichtbehinderter, die man nicht brauchte und nicht wollte, erst recht. Von den Krüppelgruppen wurde von 1979 bis 1985 die Krüppelzeitung – „Zeitung von Krüppel für Krüppel“ - herausgegeben.

Viele Nichtbehinderte, vor allem solche, die in der „Behindertenarbeit“ tätig waren, fühlten sich von den Krüppelgruppen zutiefst provoziert – wurden sie doch als Unterdrücker bezeichnet: „Der Begriff Behindertenarbeit stellt schon eine Unterdrückung dar“ (Christoph 1984, 72 ), wie Franz Christoph in seinem „Behindertenstandpunkt“ schrieb. Christophs Provokation ging in beide Richtungen, sowohl an Nichtbehinderte wie auch Behinderte. Erstere sollten erkennen, dass sie behinderte Menschen unterdrücken und sich damit auseinandersetzen; letztere wurden aufgefordert, sich nicht mehr länger in der Hoffnung auf Anerkennung bei den Nichtbehinderten anzubiedern. Er stellte fest, dass eine echte Solidarität zwischen Behinderten und Nichtbehinderten derzeit nicht möglich sei. Auf dem Weg dorthin müssten die Nichtbehinderten „die Normalität hinterfragen“ und die „eigene Beteiligung an der Unterdrückung der Behinderten“ (ebd.) aufarbeiten. „Wir (Behinderte, S.K.) müssen endlich lernen, uns den Nichtbehinderten gegenüber aggressiv zu verhalten“ (ebd., 74) und „endlich lernen, unsere eigenen, unserer Lebensrealität gemäßen Wertmaßstäbe zu entwickeln und auch versuchen, dazu zu stehen.“ (ebd.)

Die Herangehensweise der Krüppelgruppen war selbstverständlich auch unter Behinderten nicht unumstritten. Und obwohl es viele unterschiedliche Gruppierungen gab, die sich mit der Benachteiligung Behinderter beschäftigten, konnte Ende der Siebzigerjahre von einer „Bewegung“ noch nicht die Rede sein.

Geburt einer Bewegung

Dies änderte sich 1980, als am 25.02.1980 die als „Frankfurter Urteil“ in die Geschichte eingegangene Gerichtsentscheidung die Gemüter erhitzte. In diesem Urteil hatte die 24. Zivilkammer des Frankfurter Landgerichts einer Urlauberin die Minderung ihres Reisepreises zugestanden, weil sie in ihrem Urlaub den Anblick behinderter Menschen hatte ertragen müssen.

Nachdem das Urteil durch die Medien bekannt geworden war, gab es zahlreiche Proteste (Klee 1980, 35 ff) und es wurde bundesweit von verschiedenen Gruppen zu einer Demonstration in Frankfurt aufgerufen. Am 8. Mai 1980 fand dann in Frankfurt eine Demonstration mit 5000 Teilnehmer/innen statt, davon viele selbst behindert – so etwas hatte es noch nicht gegeben. In den Kundgebungsbeiträgen wurde auf die umfassende Diskriminierung behinderter Menschen in Deutschland durch Aussonderung aufmerksam gemacht sowie auf den Selbstvertretungsanspruch behinderter Menschen. Die Rücknahme des Urteils wurde durch die Demonstration nicht erreicht, wohl aber ein Selbstbewusstseinsschub für die sich entwickelnde Behindertenbewegung durch das Gefühl des gemeinsamen Kampfes, der gemeinsamen Stärke. Und auch wenn das Urteil nicht zurückgenommen wurde: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde der Widerstand behinderter Menschen zu einer politischen Nachricht in der „Tagesschau“ (ebd., 84).

Der Erfolg dieser Demonstration beflügelte die Vorbereitungen der Behinderteninitiativen zum UNO-Jahr der Behinderten, das für 1981 ausgerufen worden war. Ahnend, dass dieses Jahr nur dazu genutzt werden würde, dass sich die „Wohltäter“ selbst beweihräuchern, aber die Selbstvertretung Behinderter nicht vorgesehen sein würde, hatte sich eine Gruppe aus dem gesamten Spektrum der Behinderteninitiativen gebildet. Ziel der Gruppe war, die offiziellen Veranstaltungen des UNO-Jahres zu nutzen, um auf die eigenen Belange aufmerksam zu machen. Dazu bot sich vor allem die Eröffnungsveranstaltung am 24. Januar in der Dortmunder Westfalenhalle an. Nach dem Motto „Jedem Krüppel seinen Knüppel“ wurde die Störung der Eröffnung des „Jahres der Behinderer“ (vgl. Steiner 1983, 88) geplant. Aus dem ganzen Bundesgebiet reisten behinderte Menschen und ihre Unterstützer/innen an, um die geplante „Integrationsoperette, die die gravierenden Mißstände im Behindertenbereich verschleiern soll“ (N.N. 1981) zu stören und als Plattform für ihre Anliegen zu nutzen. Als der damalige Bundespräsident Karl Carstens die offizielle Eröffnungsrede halten wollte, besetzten einige der behinderten Demonstranten die Bühne und forderten:

  • „keine Reden
  • keine Aussonderung
  • keine Menschenrechtsverletzungen“ (ebd.).


Karl Carstens musste schließlich in einem Nebenraum sprechen, wo seine Rede die Befürchtungen bestätigte. Da war nicht von Rechten die Rede, von Selbstvertretung, sondern von Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe und Verantwortungsgefühl, davon, etwas für „die Behinderten“ zu tun und dafür Dank zu bekommen. Behinderte als selbstbestimmt handelnde Menschen kamen in dieser Rede nicht vor (Steiner 1983, 82).

Hatte schon die Demonstration in Frankfurt für Medienaufmerksamkeit gesorgt, tat es die Bühnenbesetzung erst Recht, wenn auch nur wenige verstanden, worum es den Bühnenbesetzer/innen wirklich ging. Noch weniger Verständnis bekam eine Aktion anlässlich der Reha-Messe im selben Jahr. Bei der Eröffnung stürzte sich Franz Christoph auf den Bundespräsidenten mit den Worten “Du Partner! Hast Du aus Dortmund nichts gelernt?“ (8) und versetzte ihm zwei leichte Schläge mit seiner Krücke. Mit dieser Aktion konnte er eindrucksvoll zeigen, dass Widerstand von Behinderten nicht ernst genommen wurde: wofür jede/r Nichtbehinderte angezeigt und verurteilt worden wäre (9), brachte ihm nur Hausverbot ein.

Den Abschluss des „Jahres der Behinderer“ seitens der Behindertenbewegung bildete das „Krüppeltribunal“. Analog zum jährlich von Amnesty International durchgeführten Russeltribunal sollten Menschenrechtsverletzungen an behinderten Menschen zur Anklage gebracht werden. Die Organisator/innen wollten „die Strukturen dieser Aussonderungspolitik in der BRD anklagen. Wir wollten uns gegen die Zerstückelung unserer Interessen durch Politiker, Heimaufseher und sonstige Fachleute in Sachen Behindertenunterdrückung zur Wehr setzen und die Betroffenen zur massiven und radikalen Gegenwehr anstiften.“ (Daniels u.a. 1983, 9) Anklagepunkte bezogen sich auf die Lebenssituation in Heimen, Behördenwillkür, Mobilität, Werkstätten, die Lebenssituation behinderter Frauen, die Pharmaindustrie, die Zustände im Rehabilitationszentrum Neckargemünd und die Psychiatrie.

Waren die Aktionen zu Anfang des UNO-Jahres noch von einem breiten Bündnis von Gruppen getragen, in dem das ganze Spektrum der Behindertengruppen sich zusammenfand, von Cebeefs bis Krüppelgruppen, kam es im Vorfeld der Organisation des Krüppeltribunals zu Auseinandersetzungen über die Frage, ob „Behinderte und Nichtbehinderte gleichberechtigt zusammenarbeiten können oder nicht“ (ebd., 11). Da in diesem Punkt keine Einigkeit erzielt werden konnte, fand die Planung und Durchführung des Krüppeltribunals ohne Beteiligung der Krüppelgruppen statt.

Die Bewegung entwickelt sich

Mit dem Ende des UNO-Jahres begann quasi der Alltag der Behindertenbewegung, deren Untergruppierungen sich in verschiedene Richtungen entwickelten. Dabei gab es zwei Hauptströmungen: Der einen ging es vornehmlich um die Schaffung von Infrastruktur für behinderte Menschen, vor allem in Form ambulanter Hilfsdienste, der anderen um politische Selbstvertretung. Einige Gruppen wandten sich der Aufgabe zu, im Alltag praktische Verbesserungen der Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen zu organisieren. Es wurden ambulante Dienste gegründet, später die Zentren für Selbstbestimmtes Leben und Assistenzgenossenschaften. Andere – hier vorwiegend Einzelpersonen – engagierten sich in der Politik, zunächst bei den Grünen, später dann überparteilich für Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsgesetzgebung. Früh schon begannen sich behinderte Frauen mit der Frage des Zusammenspiels von (weiblichem) Geschlecht und Behinderung zu beschäftigen, eine Thematik, die auch in einen anderen Themenkomplex, mit dem sich einige intensiv befassten, hineinspielte: die Diskussion um Eugenik und später um Bioethik. Seit 2001 diskutieren Einzelpersonen aus der Bewegung über die Disability Studies, den „Brückenschlag" von der politischen Bewegung zu einer politischen, parteilichen und interdisziplinären Wissenschaft. Diese Bereiche werden im Folgenden etwas genauer beleuchtet.

Selbstbestimmt Leben mit und ohne Assistenz

Nicht-Aussonderung, Selbstbestimmung und „Experte/ Expertin in eigener Sache“ zu sein waren von Anfang an die zentralen Elemente der Behindertenbewegung. Neben dem Aufzeigen der vorhandenen Aussonderungsstrukturen ging es sehr bald darum, aktiv zum Abbau dieser Strukturen beizutragen. Wie bereits geschildert, mussten behinderte Menschen, die im Alltag auf Hilfen angewiesen waren, sich entweder in Heime abschieben oder von Angehörigen versorgen lassen; die durch Polio beeinträchtigten Menschen mussten in Krankenhäusern leben (vgl. Frevert o.J.). Das lag zum Einen daran, dass „unser Anderssein mit krank gleich gesetzt (wurde)“ (ebd.), zum Anderen gab es einfach keine Hilfen außerhalb stationärer Einrichtungen. Einer der ersten ambulanten Hilfsdienste der Bundesrepublik nahm 1978 in München seine Arbeit auf: die Vereinigung Integrationsförderung, kurz VIF (vgl. ebd.). Durch die VIF erhielten beeinträchtigte Menschen in München erstmals die Möglichkeit „Helfer“ (das Wort „Assistenz“ war damals noch unbekannt) zur selbstbestimmten Gestaltung ihres Alltags einzusetzen. In der Folge entstanden an vielen Orten der BRD solche ambulanten Hilfsdienste, etliche von Behinderten initiiert und geleitet, die zunächst vorwiegend Zivildienstleistende im Rahmen der sogenannten Individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) einsetzten. Diese Dienste ermöglichten nun zwar ein Leben außerhalb des Heimes, ein selbstbestimmtes Leben war es aber oft nicht, da die Nutzer/innen der Hilfsdienste wenig Mitbestimmung darüber hatten, wer ihnen wann und wo bei welcher Tätigkeit behilflich war, das wurde in den Diensten entschieden; so mussten auch behinderte Frauen sich von Zivildienstleistenden helfen lassen – ob es ihnen gefiel oder nicht (Fretter 1991, 16f). Wer dies vermeiden wollte brauchte entweder einen Anbieter, der von den Nutzer/innen kontrolliert wurde, oder musste selbst Arbeitgeber/in seiner Helfer/innen werden.

Parallel zum Aufbau der Ambulanten Dienste wurde auch ein anderer Bedarf offensichtlich: der nach Beratung. Denn um die vorhandenen Möglichkeiten nutzen zu können, mussten behinderte Menschen darüber informiert sein, welche Rechte sie überhaupt hatten und wie sie diese einfordern konnten.

Im März 1982 fand in München ein wegweisender Kongress statt. Unter dem Titel „Leben, Lernen, Arbeiten in der Gemeinschaft“ wurden unterschiedlichste Modelle der Unterstützung körperbehinderter Menschen aus dem europäischen Ausland und den USA vorgestellt. Der Kongress stellte der interessierten Öffentlichkeit das Konzept des Independent Living aus den USA und Großbritannien vor und führte die Begriffe „Independent Living“ (Selbstbestimmt Leben) und „Assistenz“ in die deutsche Diskussion ein – wenn auch letzteren zunächst nur im Zusammenhang mit Arbeits- und Schulassistenz (Ratzka 1982, 57 ff).

Der Begriff „Selbstbestimmt Leben“ und die damit verbundene Philosophie setzte sich fest, und im November 1986 wurde in Bremen die Beratungsstelle „Selbstbestimmt Leben“ eröffnet, als erstes von inzwischen über zwanzig „Zentren für Selbstbestimmtes Leben“ (10). Inhalt der Arbeit der Beratungsstelle war das Erbringen einer „politischen Dienstleistung“ im Sinne von „durch Hilfeleistungen für einzelne die materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Behinderten ihre Interessen selbst wahrnehmen und vertreten, indem sie sich z.B. solidarisieren und auch politisch aktiv werden.“ (N.N. 1987b, 8) Die Bremer Beratungsstelle wollte „zum Ausgangspunkt einer Bewegung werden, die Krüppel (sic!) mehr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen vermittelt und zu einer breiteren Bewegung zur Durchsetzung der eigenen Interessen und zur Beseitigung der Diskriminierung beiträgt.“ (ebd., 10) Dies ist zumindest insoweit in Erfüllung gegangen, als es seit 1990 einen Dachverband der Selbstbestimmt-Leben-Zentren gibt, der die Arbeit der Zentren politisch unterstützt (11) und in dem alle Entscheidungen von Menschen mit Behinderungen getroffen werden (12).

Weitere wichtige Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben sind eine barrierefreie Umwelt und Mobilität. In beiden Bereichen hat sich die Behindertenbewegung frühzeitig engagiert, und insbesondere um Mobilität ist hart gekämpft worden. Dabei ging es einerseits um die Einrichtung bzw. den Erhalt von Sonderfahrdiensten, die immer von Kürzungen bedroht waren, und andererseits um die barrierefreie Gestaltung des Öffentlichen Personennahverkehrs als eigentliches Ziel. In vielen Städten wurden dazu schon Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Aktionen durchgeführt wie das Blockieren der öffentlichen Verkehrsmittel (Steiner 2003) und Demonstrationen. Das Ziel „Bus und Bahn für alle“ ist zwar noch nicht vollständig bzw. flächendeckend erreicht, aber vielerorts ist man ihm wesentlich näher gekommen.

Engagement für die rechtliche Gleichstellung

Nachdem die Grünen 1983 mit 5,6% der Stimmen in den Bundestag gewählt worden waren (13), boten sie sich gesellschaftlichen Minderheiten als Sprachrohr an. Dieses Angebot wurde von einigen in der Behindertenbewegung Aktiven aufgegriffen – in der Hoffnung, über die Grünen Belange Behinderter in Gesetzgebungsverfahren einbringen zu können. Die neue Kooperation begann recht turbulent, zeigte sich doch, dass auch Grüne nur Menschen mit Vorurteilen waren (Sandfort 1983, 15f). Dies wurde u.a. in den Anti-Atomkraftkampagnen deutlich, wo mit Bildern behinderter Menschen vor den Folgen eines Atomkrieges gewarnt wurde (Sierck 1988, 21), aber zeigte sich auch in Achtlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und geringer Bereitschaft, sich mit Behinderten wirklich auseinander zu setzen (ebd.). Dennoch wagten etliche den „Marsch durch die Institutionen“ (Kobinet, 24.07.2003) und ließen sich auf Grüne Politik ein. Der Bremer Mitbegründer der Krüppelgruppe Horst Frehe war 1987 einer der ersten aus der Behindertenbewegung, die als Abgeordnete in (Landes-) Parlamente einzogen und trotz der anfänglichen Auseinandersetzungen kam es zur Bildung einer Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Behindertenpolitik bei den Grünen, an der zunächst zahlreiche Mitglieder der Behindertenbewegung teilnahmen.

Erfolgreichstes Projekt dieser BAG in den Neunzehnachtzigern war die Einmischung in die Diskussion um die neu einzuführende Pflegeversicherung. Die Grünen brachten einen – leider erfolglosen – Gesetzentwurf ein, der vorsah, bis 1995 alle Heime abzuschaffen und in dem Zeitraum bis dahin flächendeckend ambulante Dienste auszubauen (Tolmein 1985).

War diese Gesetzesinitiative auch nicht von Erfolg gekrönt, so beherrschte ab 1986 ein anderes Gesetzesvorhaben mal mehr, mal weniger die Diskussion der Bewegung: ein Antidiskriminierungsgesetz. Im Sommer 1986 waren einige Mitglieder der BAG Behindertenpolitik bei den Grünen in die USA gereist und völlig euphorisiert zurückgekommen. Sie berichteten von der gesetzlichen Antidiskriminierungsvorschrift in den USA, die Behinderte dort durch ihre Hartnäckigkeit – unter anderem die siebenundzwanzigtägige Besetzung eines Regierungsgebäudes – erkämpft hatten, um damit gesellschaftliche Chancengleichheit zu erreichen (Jürgens 1986, 14f). Zwar sah man auch durchaus die Schwächen dieser Regelung, dennoch wurde auch für die BRD "eine Debatte über Diskriminierungsverbote" (ebd., 16f) gefordert. Dies zeichnete die Marschrichtung der kommenden fast zwanzig Jahre vor. Das Thema kochte zunächst einige Jahre auf kleiner Flamme; auch gab es nicht nur Befürworter/innen einer solchen gesetzlichen Regelung.

1990 bekam die Sache dann wieder neuen Schwung. Das lag zum Einen daran, dass in den USA ein weiteres Antidiskriminierungsgesetz (14) verabschiedet worden war (Degener 2000), zum Anderen aber interessierten sich inzwischen die großen Behindertenverbände für die rechtliche Gleichstellung behinderter Menschen (Miles-Paul 2004). In der Folge wurde der „Initiativkreis Gleichstellung Behinderter“ gegründet, der mit dem „Düsseldorfer Appell“ 1991 auf die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur rechtlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen aufmerksam machte (Forum 2000, 3). Dies sollte durch eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes erfolgen, das wegen der Wiedervereinigung ohnehin zur Änderung anstand, sowie durch Gleichstellungsgesetze auf Bundes- und Länderebene.

Im Februar 1992 gründete sich das Forum behinderter Juristinnen und Juristen und im Mai des Jahres fand der erste Europäische Protesttag für die Gleichstellung Behinderter statt, der seitdem jedes Jahr wieder die Plattform für Forderungen nach Gleichstellung und Antidiskriminierung ist. Zunehmend entwickelte sich für diesen Themenkreis eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Organisationen und Einzelpersonen aus der Behindertenbewegung und den großen Behindertenverbänden. Dieser „großen Koalition“ gelang es, Politiker/innen von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass Diskriminierungsschutz für Behinderte ins Grundgesetz gehört, mit dem Erfolg, dass bei der Grundgesetzänderung 1994 in Artikel 3, Absatz 3 der Satz aufgenommen wurde „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ (Forum 2000, 3) Dieses nun verfassungsgemäße Benachteiligungsverbot hatte jedoch auf den Alltag behinderter Menschen keine spürbare Wirkung, hierzu bedurfte es entsprechender gesetzlicher Regelungen. Der Initiativkreis Gleichstellung gründet sich um in das „Netzwerk Artikel 3“ (15), das sich von nun an für die rechtliche Gleichstellung Behinderter einsetzte.

Nach einer Satzungsänderung, bei der als weiteres Vereinsziel der Punkt „Aufklärung“ aufgenommen worden war (16), mischte sich die „Aktion Sorgenkind“ – lange Zeit der "Lieblingsfeind" der Behindertenbewegung und seit 2000 in "Aktion Mensch" umbenannt - 1997 mit ihrer „Aktion Grundgesetz“ öffentlichkeitswirksam in die Diskussion um die rechtliche Gleichstellung behinderter Menschen ein. Ziel der Kampagne war, durch breit angelegte Informationen das Umsetzen des Anspruches aus dem Grundgesetz in tatsächliche Gesetze in die Öffentlichkeit zu bringen und damit Druck auf Politiker/innen zu entwickeln. 100 Organisationen aus dem Behindertenbereich beteiligten sich an der Kampagne, auch die ISL, die dafür aber auch kritisiert wurde, denn das Misstrauen gegenüber dieser Organisation saß und sitzt tief, besonders bei denen, die mit dem „Sorgenkind“-Image groß geworden sind (Eisermann, ebd., 58f).

Die „Aktion Grundgesetz“ und die damit verbundenen Aktivitäten der involvierten Verbände stellten so viel Öffentlichkeit für das Thema her, „dass die 1998 gewählte rot-grüne Koalition nicht umhin kam, die Verabschiedung eines Bundesgleichstellungsgesetzes in der Koalitionsvereinbarung festzuschreiben.“ (Miles-Paul 2004) Das allein bewegte jedoch noch nicht viel, die Umsetzung dieses Vorhabens zeichnete sich zunächst nicht ab, weitere Aktivitäten waren gefordert. Hierzu gehörte u.a. der Gesetzesvorschlag, den das Forum behinderter Juristinnen und Juristen im Jahr 2000 der Bundesregierung „schenkte“ (ebd.). Zahlreiche andere Aktionen und die engagierte Unterstützung des Bundesbehindertenbeauftragten Karl-Herrmann Haack führten schließlich 2001 zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Heiden 2003). Absolutes Novum in der deutschen Rechtsgeschichte: Bei der Erarbeitung des Behindertengleichstellungsgesetzes, das am 01.05.2002 in Kraft trat, wurden Betroffene, die beiden Juristen Horst Frehe und Andreas Jürgens beteiligt. Das Behindertengleichstellungsgesetz regelt die Verpflichtungen des Bundes zur Gleichstellung behinderter Menschen. Dazu gehört u.a. die Barrierefreiheit von Gebäuden, aber auch das Erstellen von Bescheiden in für den Empfänger verständlicher Form. Eine große Errungenschaft des Gesetzes ist die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache, wodurch Gehörlose einen Anspruch auf Gebärdendolmetscher – bei Verhandlungen mit Bundesbehörden – bekamen. Da das Behindertengleichstellungsgesetz nur die Anforderungen an Einrichtungen des Bundes klärte, war von Anfang an klar, dass es zur rechtlichen Gleichstellung weiterer Gesetze bedurfte: der Landesgleichstellungsgesetze, die die Zuständigkeiten der Länder regeln, sowie eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzes, das behinderte Menschen vor Diskriminierungen im privatrechtlichen Bereich schützen soll. Nachdem Berlin bereits 1999 das erste Landesgleichstellungsgesetz bekam, zogen die meisten Bundesländer nach (17). Der von der rot-grünen Koalition eingebrachte Entwurf für ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz, der durch den Widerstand der CDU im Vermittlungsausschuss landete, wurde am 05.09.2005 eben dort nicht behandelt und hatte damit keine Chance mehr durchzukommen (kobinet, 05.09.2005). Doch scheint sich die große Koalition, die damals die Regierung stellte, endlich durchgerungen zu haben, sich für ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, das auch das Merkmal „Behinderung“ berücksichtigt, einzusetzen (kobinet, 09.05.2006).

Das Recht auf Leben – keine Selbstverständlichkeit

Fragen der Eugenik, später dann der Bioethik, spielten in der deutschen Behindertenbewegung von Anfang an eine wichtige Rolle. Die „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ war Ende der Siebzigerjahre noch nicht aufgearbeitet worden, andererseits war durchaus vielen Menschen bekannt, was mit behinderten Menschen während der Nazi-Herrschaft geschehen war. Behinderte Menschen selbst hatten das Gefühl, dass man sie bei der Aufarbeitung der Vergangenheit vergaß – ihre Geschichte musste erst noch geschrieben werden.

Zu diesem Zeitpunkt hatten einige bereits Erfahrungen mit humangenetischer Beratung gemacht, aber auch mit Sprüchen wie „Unter Hitler hätte man so was vergast“; die Älteren hatten mit Glück die NS-Zeit überlebt. Es gab schon wieder bzw. immer noch Mediziner/innen und Wissenschaftler/innen, die mehr oder minder offen eugenisches Gedankengut propagierten. Zum Teil handelte es sich dabei um Personen, die unter den Nazis in gleichen oder ähnlichen Positionen tätig gewesen waren. Es gab bereits pränatale Diagnostik, wenn auch noch in recht bescheidenem Umfang und damit einhergehend Werbung für ihre Nutzung, die als behindertenfeindlich erlebt wurde, da hier Behinderung als leidvoll und mit dem Leben nicht vereinbar dargestellt wurde. Die Gentechnik und ihre „Verheißungen“ waren bereits im Gespräch und erzeugten bei vielen Menschen mit Behinderungen Befürchtungen.

Auf diesem Hintergrund begannen Mitglieder der Behindertenbewegung sich mit „ihrer“ Vergangenheit zu beschäftigen, im Hinterkopf immer die Frage „Wie wäre es mir/uns damals ergangen?“ Sie stellten Nachforschungen an, stellten Zusammenhänge her und veröffentlichten das Herausgefundene. Ab der Krüppelzeitung 3/1982 zog sich das Thema „Behinderung und Eugenik“ in verschiedenen Varianten durch alle Ausgaben. Dabei ging es zum Einen um die Aufarbeitung der Vergangenheit und daraus resultierender Kontinuitäten, zum Anderen wurden aktuelle Entwicklungen aufmerksam verfolgt und kritisch beleuchtet.

1984 veröffentlichten Udo Sierck und Nati Radke „Die Wohltäter-Mafia. Vom Erbgesundheitsgericht zur Humangenetischen Beratung“, worin sie personelle und ideologische Kontinuitäten vom „Dritten Reich“ bis in die damalige Zeit nachwiesen. Thematisiert wurde die individualisierende Sicht auf Behinderung, ohne die es zu diesen Entwicklungen nicht habe kommen können. Sierck und Radtke deckten in ihrem Buch u.a. auf, dass einer der Mitbegründer der „Lebenshilfe für geistig Behinderte“, Prof. Dr. Werner Villinger, als Gutachter an der Ermordung behinderter Menschen während des „Dritten Reiches“ beteiligt war (Sierck/ Radtke 1984,83, 85). Auch wiesen sie darauf hin, welche Gefahren die Weiterentwicklung der Gentechnik für Menschen mit Behinderungen mit sich bringen könne.

Zu den aus der Vergangenheit „geerbten“ Themen gehört auch das der Zwangssterilisation von behinderten Menschen. Auch hier wurde nachrecherchiert, wie es zum „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ (GzVeN) kommen konnte, nach dessen Regelungen zwischen 1933 und 1945 ca. 400.000 Menschen zwangssterilisiert wurden, und wie mit dem Thema nach Kriegsende umgegangen wurde (Sierck/ Radtke 1984, Köbsell 1987). Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde nach Kriegsende außer Kraft gesetzt, behinderte Menschen, vor allem Mädchen, jedoch weiter sterilisiert, oftmals mit ähnlich absurden Begründungen wie vor 1945 (Sierck/ Radtke 1984, 103ff). Nun erfüllte dies den Tatbestand einer vorsätzliche Körperverletzung, was allerdings nie zur Anzeige kam. Eine „Panorama“-Sendung machte 1984 diesen Skandal publik (Köbsell 1987, 7), wodurch die damalige Bundesregierung unter Zugzwang geriet. Es wurde offensichtlich, dass eine gesetzliche Regelung geschaffen werden musste, was jedoch noch einige Zeit dauerte: Erst am 01.01.1992 wurde mit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes auch die Sterilisation sog. einwilligungsunfähiger Personen geregelt. Zwar erschwert das darin festgelegte Verfahren die Sterilisation gegenüber dem vorherigen „Grauzonen“-Verfahren, einen hundertprozentigen Schutz vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit bietet dies Gesetz jedoch nicht, und so wurde diese Regelung bereits im Vorfeld von der Behindertenbewegung kritisiert, die auch den Appell: „Kein neues Sterilisierungsgesetz in der Bundesrepublik“ unterstützte (Arbeitskreis 1987, 21f). Seit der Verabschiedung des Gesetzes wird jedoch über das Thema „Sterilisation“ kaum noch gesprochen, obwohl das Problem – dass behinderte Menschen sich möglichst nicht fortpflanzen sollen – nach wie vor existiert und kritisch bewertet wird.

Der Themenbereich „Euthanasie“ bzw. aktive Sterbehilfe war anfangs, wie weiter oben beschrieben, vor allem in seiner historischen Dimension von Bedeutung. Hinzu kam Protest gegen „Ewiggestrige“ (Krüppelgruppe Bremen 1984, 42) oder Sterbehilfe-Propagandisten wie Prof. Hackethal und den DGHS(18)-Vorsitzenden Attrott, die sich zu diesem Thema exponierten (N.N. 1987, 23; Köbsell 1988, 15f), sowie die kritische Begleitung der immer noch gegen NS-Ärzte stattfindenden Prozesse (Reuter/Pudwill 1987, 6ff). Für die nachgeborenen Behinderten war und ist die „Euthanasie“, wie sie unter den Nazis praktiziert wurde, eine dauernde Warnung davor, was die Folge eines Menschenbildes sein kann, das bestimmte Menschen für „lebensunwert“ erklärt.

Im Juni 1989 kam mit der Einladung des australischen Bioethikers Peter Singer auf einen Kongress der „Lebenshilfe“ neue Brisanz in die Thematik. Singer, bekannt für seine extremen Positionen hinsichtlich des Lebensrechts behinderter, alter und kranker Menschen war eingeladen, um über das Lebensrecht schwerstbehinderter Neugeborener zu sprechen. Er teilt die Menschheit in zwei Gruppen auf: in Personen und Nicht-Personen, wobei letztere kein uneingeschränktes Lebensrecht haben. Um als Person zu gelten, muss das Individuum über Autonomie, Selbst-Bewusstsein, Zukunftsorientierung, Wahrnehmungsfähigkeit und Autonomie verfügen (Klees 1988, 40). Der massive Protest eines breiten Bündnisses aus Behinderten- und Krüppelinitiativen und anderen Gruppen führte dazu, dass die Lebenshilfe den Kongress absagte (Sierck 1989, 7), aber der Geist war gewissermaßen aus der Flasche: Was bis dato nach den Erfahrungen während der Nazi-Zeit unvorstellbar war – das öffentliche Infragestellen des Lebensrechtes behinderter Menschen –, war nun wieder möglich.

Mit Singer hatte nicht nur der Begriff „Bioethik“ in die deutsche Diskussion Einzug gehalten, sondern auch das Absprechen des uneingeschränkten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dies wurde besonders im Zusammenhang mit der sog. Bioethikkonvention des Europarates deutlich, die ab 1994 einige Zeit die bioethische Diskussion dominierte. Die Konvention wurde erarbeitet, um die Menschenrechte des Individuums in den Zeiten der Biomedizin zu schützen. Tatsächlich schützt sie jedoch die Menschenrechte nicht, sondern relativiert sie, indem sie dem bioethischen Denkmuster verhaftet bleibt, das die Universalität von Menschenrechten bestreitet und individuelle Rechte den Bedürfnissen von Forschung und Wissenschaft gegenüberstellt. Menschenrechte sind hier nicht etwas, was jeder Mensch besitzt, weil er ein Mensch ist, sondern sie müssen quasi verdient werden, indem jede/r nachweisen muss, dass er oder sie gewisse Leistungen erbringt bzw. bestimmte Eigenschaften hat (Emmrich 1997, 56). Dieser Logik folgend werden behinderte und alterskranke Menschen zu Menschen „minderer Güte”, die zu Forschungszwecken bzw. als Materiallager für Transplantationen benutzt werden können. Ein ähnliches Bündnis wie im Fall der Singer-Einladung konnte auch hier mobilisiert werden, das genug Druck entwickelte um zu verhindern, dass die Bundesregierung die Konvention unterzeichnete.

Das Thema ist nach wie vor in der Diskussion, hat aber bei weitem nicht mehr den Mobilisierungseffekt wie 1989. Als Singer 2004 nach Heidelberg eingeladen war, gab es zwar Protest, ein großes Bündnis, das sein Auftreten verhindern wollte, kam jedoch nicht zustande. Singer bestätigte auch hier noch einmal, dass nach seiner Meinung nur derjenige ein Recht auf Leben habe, der über Fähigkeiten wie Selbstbewusstsein und Sinn für die Zukunft verfügt (kobinet, 13.12.2004).

Ein weiteres brisantes und identitätsstiftendes Thema der Behindertenbewegung kommt auch aus dem bioethischen Themenkreis: der Schwangerschaftsabbruch nach pränataler Diagnostik. Auch hier gehen die Wurzeln auf die NS-Ära zurück, denn im Rahmen der Erweiterung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1935 wurde die Zwangsabtreibung bei „minderwertigen“ Frauen mit anschließender Zwangssterilisation legalisiert (Köbsell 1987, 25). Eine weitere Verbindungslinie geht über die Humangenetik, deren Vorgängerin in Deutschland die Rassenhygiene war. Auch hier ließen sich personelle und ideelle Kontinuitäten feststellen (Sierck/ Radtke 1984, 28) und so war die Vergangenheit in den Veröffentlichungen lange die Bezugsgröße. Die Problematik des selektiven Schwangerschaftsabbruch wurde u.a. in der Kontinuität von alter und neuer Eugenik verortet (Köbsell/Strahl 1986, 3ff), aber auch in der Ungleichbehandlung behinderten und nichtbehinderten Lebens schon vor der Geburt.

Die Thematik der Selektion durch vorgeburtliche Untersuchungen in Kombination mit Abtreibung hat die Behindertenbewegung seit ihrer Entstehung begleitet. Dabei wurde durchgängig und weitgehend einheitlich (19) die gleiche Position vertreten: Die Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches an sich wurde und wird bejaht, die Abtreibung eines bestimmten Fötus aufgrund dessen mangelhafter Qualität jedoch abgelehnt und als vorgeburtliche Diskriminierung behinderten Lebens kritisiert, die auch Auswirkungen auf die Bewertung der Lebensqualität lebender Behinderter habe (Bremer Krüppelfrauengruppe 1991, 227ff). Diese Haltung hat immer wieder zu äußerst heftigen kontroversen Diskussionen geführt. Zunächst wurde auch die Schließung der humangenetischen Beratungsstellen gefordert (Bradish/Feierabend 1989, 282). Diese Forderung ist über die Jahre immer weniger erhoben worden, die Kritik von Seiten der Behindertenbewegung an pränataler Selektion aber blieb.

Die Bewegung in der Bewegung – Frauen mit Behinderung

Frauen bzw. die Frauenbewegung spielten in der jungen Bewegung eine wichtige Rolle, wurden doch Frauengruppen gerne als Analogie zu den nichtbehindertenfreien Krüppelgruppen herangezogen. Doch nicht nur die Orientierung an der Frauenbewegung ist für eine von Männern ins Leben gerufene Bewegung bemerkenswert, sondern auch die Tatsache, dass diesen Männern klar zu sein schien, das sich das Leben von Männern und Frauen mit Behinderung unterscheidet. Auf der letzten Seite der ersten Ausgabe der Krüppelzeitung schreiben „Horst und Franz“: „Leider ist auch die doppelte Diskriminierung behinderter Frauen fast nicht berücksichtigt worden. Wir hoffen, daß sich welche finden, die mit uns Behinderten (sic!) im Redaktionskollektiv zusammenarbeiten und die Positionen behinderter Frauen vertreten werden.“ (1979, 52) Dieser Anspruch wurde jedoch nicht umgesetzt. Zwar meldete sich in der Ausgabe 2/1980 „Nati“ mit einem Artikel „Mit Puder und Crem’ wird auch die Krüppelfrau schön“ (1980, 61 – 63) zu Wort, doch so richtig in Fahrt kamen die Frauen erst 1981 und das weitere Verhalten der Männer in der Bewegung lässt darauf schließen, dass der Wunsch, die „doppelte Diskriminierung“ behinderter Frauen berücksichtigen zu wollen, wohl nur ein Lippenbekenntnis war.

Der 2. Gesundheitstag 1981 in Hamburg bot auch das Forum für die erste öffentliche Veranstaltung zum Thema behinderte Frauen. Hier wurde die besondere Situation behinderter Frauen zum Thema gemacht, die davon gekennzeichnet ist, dass behinderte Frauen zwei Ausgrenzungsmerkmale auf sich vereinen: weiblich und behindert sein, wobei jeweils eines dieser Merkmale dem völligen Aufgehobensein in der jeweiligen Bewegung im Wege steht.

Beim Krüppeltribunal 1981 machten Frauen mit Behinderung ihre besondere Lebenssituation zum Thema und zeigten anhand der Bereiche Schönheitsideal, Gynäkologie, Paragraf 218 und Vergewaltigung auf, wie sich hier das Zusammenspiel von weiblichem Geschlecht und Behinderung zum Nachteil der behinderten Frauen auswirkt.

Frauen und Mädchen mit Behinderung waren damals unsichtbar. „Fachleute der Behinderten handeln uns ausschließlich geschlechtsneutral als 'die Behinderten' ab (...) und auch in der gängigen Frauenliteratur kommen wir kaum vor.“ (Ewinkel/ Hermes 1985, 7) Auch in der Behindertenbewegung wurde die Geschlechterfrage nicht gestellt sondern die nichtbehinderte Gesellschaft insofern reproduziert, als ihr männerzentriertes, heterosexistisches Weltbild unhinterfragt übernommen wurde. Die Frauen allerdings hinterfragten dies schon recht bald und so wurden die ersten Krüppelfrauengruppen kurz nach den Krüppelgruppen gegründet. Ziel war die Analyse der speziellen Diskriminierungen, die behinderte Frauen erfahren und diese zu bekämpfen.

1983 wurde die erste wissenschaftliche Arbeit zur Situation behinderter Frauen veröffentlicht (Schildmann 1983), in der die Autorin feststellte, dass „davon auszugehen ist, dass in patriarchalischen Gesellschaften aufgrund der Machtverhältnisse von Männern über Frauen sowohl Normalität und Abweichung von der Normalität als auch Behinderung für Frauen und Männer unterschiedliches Gewicht bekommen. Die gesellschaftliche Unterdrückung (Behinderung) des weiblichen Geschlechts in der patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaft führt bei denen, die von der "‘weiblichen Normalität' abweichen, zu einer Potenzierung der Behinderung“. (1983, 41)

War dies noch eine Untersuchung einer nichtbehinderten Wissenschaftlerin über Frauen mit Behinderungen, brachten diese 1985 selbst ein Buch mit dem Titel „Geschlecht: behindert – Besonderes Merkmal: Frau. Ein Buch von behinderten Frauen“ (Ewinkel/Hermes) heraus. Trotz seines inzwischen beachtlichen Alters ist es immer noch der Klassiker zum Thema, und der Titel hat schon zahllose Veranstaltungen zum Thema geziert - bringt er doch das zugrunde liegende Dilemma hervorragend auf den Punkt: „Wir Krüppelfrauen sind Frauen, die behindert sind, wir werden aber als Behinderte behandelt, die nebenbei weiblich sind.“ (ebd., 8) Das Buch geht den bereits im Rahmen des Krüppeltribunals angerissenen Themen vertieft nach und beschäftigt sich zusätzlich noch mit Mutterschaft, Sterilisation, Sozialisation, Ausbildung und Rehabilitation. Der im Buch behandelte Themenkatalog prägt die Diskussion zum Thema behinderte Frauen bis heute.

Die Gruppen vor Ort trafen sich weiter und mischten sich in frauenpolitische Diskussionen ein. Im Rahmen der aufkommenden feministischen Kritik an den neuen Gen- und Reproduktionstechnologien konfrontierten sie die nichtbehinderten Kritikerinnen mit dem Zusammenhang von Eugenik, humangenetischer Beratung und selektiver Abtreibung und setzten damit die Diskussion darüber, wie politisch das Private in dieser Hinsicht ist, in Gang (Bremer Krüppelfrauengruppe 1991, 272). Diese Diskussionen, die zum Teil höchst emotional geführt wurden, führten auf dem 1. bundesweiten Kongress „Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologie“ dazu, dass in die Abschlussresolution die Forderung der behinderten Frauen nach Schließung der humangenetischen Beratungsstellen aufgenommen wurde (Bradish/Feyerabend 1989, 282) – wenn auch nur mit knapper Mehrheit. Das Thema der selektiven Abtreibung nach Pränataldiagnostik behielt ein hohes Konfliktpotential, da es sich um zwei letztendlich unvereinbare Positionen handelt: Die nichtbehinderten Frauen beharren darauf, dass selektive Abtreibung Teil ihres Selbstbestimmungsrechtes ist, die behinderten Frauen verurteilen diese Abtreibungen als behindertenfeindlich. Die Aussage „Wir meinen, dass es möglich ist, für das Recht von Frauen auf Abtreibung und gegen ein vermeintliches Recht auf ein nichtbehindertes Kind zu streiten“ (Degener/Köbsell 1992, 8) fasst diese Haltung zusammen.

Anfang der Neunzigerjahre begannen sich behinderte Frauen in Netzwerken auf Länderebene zusammenzuschließen und ins landespolitische Geschehen einzumischen; 1998 erfolgte die Gründung des Bundesnetzwerkes unter dem Namen „Weibernetz e.V.- Bundesnetzwerk von FrauenLesben und Mädchen mit Beeinträchtigungen"(20). Der Name macht auf eine andere interne Diskussion aufmerksam: Auch in der Bewegung der behinderten Frauen war zunächst Heterosexualität die unhinterfragte Norm, so dass die „Krüppellesben“ auch hier zunächst um Anerkennung kämpfen mussten. Aus diesem Dilemma heraus gründeten sie 1997 ihr eigenes Krüppel-Lesben-Netzwerk (Ruhm 1997, 25).

Behinderte Frauen begannen, sich in die Diskussion um Gleichstellungsgesetze einzumischen. 1993 und 1994 organisierte das gerade gegründete Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) je eine Tagung zum Thema „Die Forderungen behinderter Frauen an Gleichstellungsgesetze für Behinderte“ (Hermes 1994, 2). Daraus ging ein umfangreicher Forderungskatalog hervor (ebd., 93ff), der in die Gleichstellungsdebatte eingebracht wurde. Viele dieser Forderungen haben inzwischen Eingang in Gesetze gefunden: Sowohl das Behinderten- wie auch die Landesgleichstellungsgesetze und auch das SGB IX sehen die Berücksichtigung der besonderen Belange behinderter Frauen vor.

Neben dem Auslösen der Kontroverse um den selektiven Schwangerschaftsabbruch ist es ein großer Verdienst der behinderten Frauen, das Thema „sexuelle Gewalt gegen behinderte Mädchen und Frauen“ in die Öffentlichkeit gebracht zu haben und Maßnahmen sowohl zur Prävention wie auch zur härteren Bestrafung der Täter zu fordern. Ein Erfolg der Hartnäckigkeit, mit der sich die behinderten Frauen für ihre Belange einsetzen und einsetzten, ist z.B. die Änderung des Sexualstrafrechts von 2004 (kobinet vom 06.01.2004), wodurch der Schutz behinderter Menschen vor sexueller Gewalt verbessert wurde.

Seit 2003 führt das Weibernetz das vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend geförderte Projekt „Politische Interessenvertretung behinderter Frauen“ durch. Ziel dieses Projektes ist es sicher zu stellen, dass die im SGB IX und im Behindertengleichstellungsgesetz vorgesehenen Beteiligungsrechte für behinderte Frauen auch umgesetzt werden. Darüber hinaus vertritt das Weibernetz die Interessen behinderter Frauen in zahlreichen Gremien (21). Insgesamt kann man im Hinblick auf die Interessenvertretung behinderter Frauen von einer echten Erfolgsgeschichte sprechen, die noch nicht beendet ist.

Disability Studies

Seit 2001(22) beschäftigt ein neues Thema Teile der Behindertenbewegung: die Disability Studies. 2002 gründeten Anne Waldschmidt und Theresia Degener die Arbeitsgemeinschaft „Disability Studies Deutschland – wir forschen selbst“. Die Gruppe ist ein Zusammenschluss von behinderten Wissenschaftler/innen und Aktivist/innen aus der Behindertenbewegung, die ein Interesse daran haben, dass Disability Studies auch in Deutschland eingeführt und anerkannt werden. Die Sommeruni „Disability Studies – Behinderung neu denken“, die im Rahmen des Europäischen Jahres der Menschen mit Behinderungen im Juli 2003 in Bremen stattfand (23), bot erstmals den Rahmen, Disability Studies innerhalb der Bewegung zu diskutieren.

Entstanden sind die Disability Studies Ende der Siebzigerjahre unabhängig von einander in den USA und Großbritannien. Grundlage war in beiden Ländern die Entwicklung eines sozialen Modells von Behinderung, das dem gängigen medizinischen (oder auch individuellen) Modell von Behinderung entgegengesetzt wurde. Es war ein Gegenmodell zu einer Sichtweise, die Behinderung ausschließlich in der Schädigung und den Defiziten des Individuums begründet sieht. Entsprechend kann sie nur überwunden oder mit ihr umgegangen werden, wenn das Individuum geheilt wird, oder die Person ihr Schicksal akzeptiert. Die Schädigung und ihre Auswirkungen, wie schlechtere Bildung und Ausbildung, schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, reduzierte Mobilität etc. werden zur persönlichen Tragödie. Nichtbehinderung wird gleichgesetzt mit Normalität, Fitness, Kompetenz, Aktivität und Unabhängigkeit (Johnstone 2001, 17) und als „Wert an sich“ positiv bewertet. Behinderung stellt in dieser Dichotomie die Gegenseite dar: Abnormalität, Unfähigkeit, Abhängigkeit und Passivität und wird als negativ bewertet. Nach dieser Denkweise liegen alle in Folge einer Beeinträchtigung auftretenden Probleme im Individuum bzw. seiner Beeinträchtigung begründet. Anstrengungen zur Überwindung dieser Probleme sind wohlmeinende Almosen, die nicht auf die grundlegende Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse ausgerichtet sind. Man tut eher Dinge „für“ als „mit“ den betroffenen Menschen. Das soziale Modell dagegen begreift Behinderung als gesellschaftlich hergestellt, was zur Folge hat, dass auch Änderungen nicht auf individueller, sondern gesellschaftlicher Ebene erfolgen müssen.

Zur Fassung des Sozialen Modells von Behinderung sind im Rahmen der Disability Studies zwei Begriffe, bzw. ihre Abgrenzung gegeneinander, besonders wichtig: Disability und Impairment. Im Deutschen entspricht Disability dem politischen Begriff von Be-hinderung (der Verlust oder die Beschränkung von Möglichkeiten, am Leben in der Gemeinschaft gleichberechtigt teilzunehmen auf Grund räumlicher und sozialer Barrieren), Impairment kann mit Beeinträchtigung übersetzt werden (die funktionale Einschränkung einer Person auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Schädigung). Allerdings wird in der Anwendung des Sozialen Modells wie auch in den Behindertenbewegungen der Schwerpunkt auf die Be-hinderung, Disability, gelegt, also das soziale und politische Konstrukt von Behinderung oder einfacher: behindert ist man nicht, behindert wird man.

Aus der Abkehr vom medizinischen Modell von Behinderung folgt die Erforschung von Behinderung als sozial konstruierte Kategorie, und das wiederum bedeutet, Behinderung in einen sozialen, historischen und politischen Kontext zu stellen. Es geht darum, Behinderten ihre Geschichte und eine Stimme zu geben. Und es geht um einen Perspektivenwechsel in der Behinderungsforschung: statt wie bisher über, wird nun von und mit Menschen mit Behinderung geforscht. Sie werden so vom Forschungsobjekt zum aktiven Subjekt. Anne Waldschmidt beschreibt dies so: „Die Mehrheitsgesellschaft wird aus Sicht der „Behinderung“ untersucht, und nicht umgekehrt, wie es eigentlich üblich ist.“(2003, 16) Für die Forschung innerhalb der Disability Studies hat die veränderte Sichtweise von Behinderung weit reichende Konsequenzen. Die Menschen mit Beeinträchtigungen stehen hier im Mittelpunkt jedes Forschungsvorhabens. Ein wichtiges Prinzip ist dabei die Anerkennung der Tatsache, dass behinderte Menschen die besten Expert/innen sind, wenn es um die Erfahrung mit Behinderung geht. Die veränderte Forschungspraxis soll behinderten Menschen eine Stimme geben, die auch ihrem Ärger und ihrem Protest Ausdruck verleiht.

Disability Studies sehen sich in der Tradition der gender, race und critical culture studies, die alle ebenfalls politische, interdisziplinäre Studiengänge zu den jeweiligen sozialen Phänomenen sind. Aber warum „Disability“ (24) Studies? In einem Ansatz, der gerade weg will von den negativen Zuschreibungen und Bewertungen, die mit Behinderung verbunden sind, tat man sich mit diesem Wort natürlich schwer. Es hat sich dann aber doch weltweit in den Behindertenbewegungen die Verwendung des Wortes „disability“ durchgesetzt; so auch in den Disability Studies, wo man es vorzog, dem Begriff eine neue Bedeutung zu geben, anstatt einen neuen Begriff einzuführen (Linton 1998, 31)(25). Die Verwendung erfolgt seitens der Disability Studies, aber auch der Behindertenbewegungen in den USA und Großbritannien, im Sinne von be-hindern – also durch gesellschaftliche Bedingungen behindert werden. Nach längeren Diskussionen wurde der englische Begriff auch für Deutschland übernommen, da sich einerseits kein wirklich treffender deutscher Begriff fand und andererseits um deutlich zu machen, dass sich die deutschen Forscher/innen in den internationalen Diskussionszusammenhang einklinken.

Disability Studies als politische Wissenschaft verstehen sich – auch, aber nicht nur - als wissenschaftlicher Arm der politischen Behindertenbewegung. Es geht darum, auch in der Wissenschaft den Paradigmenwechsel von Fürsorge und Wohltätigkeit hin zu Bürgerrechten für Menschen mit Behinderungen zu vollziehen und damit wiederum die Voraussetzung für die Erlangung dieser Rechte schaffen. Anne Waldschmidt merkt hierzu an: „Soziale Teilhabe, Selbstbestimmung, Barrierefreiheit, Gleichstellung und Bürgerrechte – das sind zentrale Anliegen der Disability Studies. Allerdings: Würden die Disability Studies allein als Anwendungswissenschaft der Behindertenbewegung und wissenschaftliche Reflexion von Betroffenenperspektiven gesehen, so wäre dies ein Missverständnis und würde auf eine Verkürzung des Ansatzes hinaus laufen.“ (Waldschmidt 2003, 14) Die Disability Studies wären jedoch ohne die Behindertenbewegungen in den jeweiligen Ländern nicht entstanden und so sollte es das Anliegen beider Seiten sein, sich gegenseitig Impulse zu geben (Priestley 2003, 31).

Die deutsche Behindertenbewegung wandte sich ebenfalls frühzeitig gegen das medizinische Modell von Behinderung mit seinen negativen Zuschreibungen und seiner Defektorientierung, allerdings mit anderer Terminologie. Der zentrale Begriff war hier der der Aussonderung, verbunden mit der politischen Forderung nach Abschaffung aussondernder Einrichtungen und dem Aufzeigen aussondernder gesellschaftlicher Mechanismen und ihrer Folgen. Der hier verwendete Behinderungsbegriff war und ist ein stark politisierter. Ausdruck dessen war die bewusste Verwendung des Begriffes „Krüppel“ anstelle von „Behinderte“. Behinderung wurde als Unterdrückungsverhältnis zwischen Behinderten und Nichtbehinderten begriffen. Eingefordert wurde und wird das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und die Präsenz behinderter Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Doch trotz Kritik am medizinischen Modell von Behinderung und ausgeübter Wissenschaftskritik kam es in Deutschland nicht zur Entwicklung eines mit den Disability Studies vergleichbaren „eigenen“ wissenschaftlichen Ansatzes.

Es wurde zwar kein explizites „soziales Modell von Behinderung“ formuliert, implizit war es jedoch seit Beginn der Behindertenbewegung vorhanden. So lobte Franz Christoph in seinem Asylantrag 1980(26) den „wichtigen“ Ansatz Wolfgang Jantzens dafür, „die Unterscheidung zwischen 'Schaden' und 'Behinderung'“ gemacht zu haben (Christoph 1980, 23), was der Unterscheidung zwischen Impairment und Disability in den Disability Studies entspricht. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung beschränkte sich auf die Kritik an z.B. der Behindertenpädagogik – die Entwicklung eigener Modelle und Theorien auf wissenschaftlicher Ebene fand nicht statt.

Versuche, eine Entwicklung in Richtung Disability Studies anzustoßen, verliefen bis 2001 im Sande, eine wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit unseren Themen fand nicht statt; anscheinend war die Zeit für Disability Studies in Deutschland damals noch nicht reif.

Es drängt sich die Frage auf, warum die deutsche Bewegung erst so spät und dann auch nur durch Anstoß von außen angefangen hat, sich für die wissenschaftliche Bearbeitung behinderungsrelevanter Themen aus Betroffenensicht zu interessieren. Dies heraus zu finden wäre ein schönes Projekt für die Disability Studies. So kann man nur mutmaßen woran es lag und Faktoren benennen, die vermutlich dazu beigetragen haben: Es waren relativ wenige Aktive, deren Kräfte weitgehend anderweitig gebunden waren; es war wahrscheinlich auch unser Bildungssystem daran beteiligt, das akademische Karrieren behinderter Menschen nicht gerade fördert, wie auch die in Teilen der Bewegung vorhandene Angst vor Intellektualisierung, vor der Franz Christoph bereits 1980 gewarnt hatte. Er sah einen „Schichtkonflikt (zwischen Akademiker/innen und Nichtakademiker/innen S.K.), der wohl einmal die gesamte Behindertenbewegung durchziehen wird“ (Christoph 1980, 25f) voraus. Andere befürchteten eine Entsolidarisierung untereinander sowie die Entwicklung neuer Hierarchien (Ehlers 1998).

So gibt es immer noch einen großen Nachholbedarf z.B. an Theoriebildung und Methodenentwicklung. International ist zu beobachten, dass zunehmend Kritik am sozialen Modell von Behinderung geübt wird, da es u.a. die Lebenswirklichkeit behinderter Menschen nur unzureichend abbilde (z.B. Crow 1996). In diesem Zusammenhang plädiert Anne Waldschmidt (2005, 25) für einen „kulturwissenschaftlichen Perspektivenwechsel“ und entwickelt ein kulturelles Modell von Behinderung, das davon ausgeht, „dass Sozialleistungen und Bürgerrechte allein nicht genügen, um Anerkennung und Teilhabe zu erreichen, vielmehr bedarf es auch der kulturellen Repräsentation. Individuelle und gesellschaftliche Akzeptanz wird erst dann möglich sein, wenn behinderte Menschen nicht als zu integrierende Minderheit, sondern als integraler Bestandteil der Gesellschaft verstanden werden.“ (ebd., 27) Man darf also gespannt sein, wie sich die Disability Studies in Deutschland weiter entwickeln werden.

Der Stand der Dinge

Die deutsche Behindertenbewegung ist bereits öfter für tot erklärt worden. So konstatierte Franz Christoph bereits 1993, dass „unsere Bewegung am Boden liegt“ (145) und Eckhard Rohrmann stellte 1999 fest, dass die Bewegung vom „brüllenden Löwen“ zum „kläffenden Schoßhund“ verkommen sei. Fest steht, dass sie sich verändert hat. Aus der locker organisierten „kleinen radikalen Minderheit“ der ersten Jahre haben sich etablierte Organisationen entwickelt. Früher unvorstellbar gibt es einen Dachverband, Projekte werden mit Mitteln der ehemaligen „Aktion Sorgenkind“ finanziert und es wird zu bestimmten Fragen mit den großen Behindertenverbänden zusammengearbeitet.

Wenn man auch gegenüber der „wilden“ Anfangszeit feststellen muss, dass tatsächlich Vieles braver und angepasster geworden, die Konfrontation eher der Kooperation gewichen ist, und die Aktionen nicht mehr so spektakulär sind wie damals, so zeigt sich doch, dass sich die Behindertenbewegung in ihren wesentlichen Inhalten treu geblieben ist. Von Anfang an bis heute ging und geht es darum, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, ihnen Kontrolle über ihr Leben zu verschaffen (Frehe 1984, 122). Man wollte weg von dem individualisierenden medizinischen Blick auf Behinderung; Aussonderung und Diskriminierung bekämpfen – Ziele, die heute immer noch ihre Gültigkeit haben, wenn sich auch die Mittel und Wege dorthin verändert haben.

Und so kann die Bewegung durchaus mit Stolz auf ihre Erfolge blicken. Es gibt über 20 Zentren für Selbstbestimmtes Leben, in denen alle Entscheidungen von Menschen mit Behinderungen getroffen werden. Es gibt mehr und mehr Menschen mit Behinderungen, die ihre Persönliche Assistenz selbst organisieren. Wie es aussieht, wird es bald ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz geben, dass das Merkmal „Behinderung“ mit berücksichtigt. Vertreter der Bewegung sitzen in Parlamenten und Gremien, die Behindertenpolitik der Bundesrepublik hat einen viel zitierten „Paradigmenwechsel“ – von der Fürsorge zur gleichberechtigten Teilhabe – vollzogen (Haack 2003). Zeigen muss sich jetzt, wie sich dieser Paradigmenwechsel in Zeiten leerer Kassen auch im Alltag behinderter Menschen umsetzen lässt. Auch andere Entwicklungen bzw. ihre Verhinderung sind auf eine starke und funktionierende Behindertenbewegung angewiesen: so z.B. die Verhinderung der Aussonderung behinderter Menschen in Heime, die wieder verstärkt gebaut werden, und das zunehmende Infragestellen des Wertes behinderten Lebens im Zuge der Entwicklung neuer technischer und medizinischer Machbarkeiten. Im Angesicht der vielfältigen Herausforderungen ist der deutschen Behindertenbewegung ein langes Leben zu wünschen. Zu wünschen ist ihr auch, dass sich wieder mehr junge Menschen mit Behinderung für ihre Rechte engagieren und nicht nur die Früchte der „Alten“ genießen – auf dass die Bewegung lange leben möge.


Anmerkungen
1.    Auf Hitlers Anweisung, jedoch ohne gesetzliche Grundlage, wurden im Zuge der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ viele tausend behinderte Menschen umgebracht. (Klee 1983) Obwohl die meisten der Transporte und Tötungen dokumentiert wurden, kann man die Zahl der Opfer nur schätzen. Es wird davon ausgegangen, dass im Rahmen der „Euthanasie“ ca. 300.000 behinderte Menschen umgebracht wurden (Schmuhl 1999).
2.    Der 1917 gegründete “Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten – Reichsbund“ (heute „Sozialverband Deutschland“) nahm 1946 seine Arbeit wieder auf (http://www.sovd-bv.de/sozialverband_deutschland.htm, 01.08.2005); 1950 wurde der „Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands“ (heute: „Sozialverband VdK Deutschland“) gegründet.
3.    heute "Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung".
4.    heute “Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte".
5.    http://www.polio-berlin.de/Schluck1.htm, 16.08.2005.
6.    http://www.emergency-management.net/pdf/contergan_brd.pdf, 20.08.2005.
7.    http://www.aktion-mensch.de/chronik/index.html, „1961“, 18.08.2005.
8.    dokumentiert im Film: „Lieber Arm ab als arm dran“.
9.    Beate Klarsfeld schlug am 7.11.1968 den damaligen Bundeskanzler Kiesinger ins Gesicht, um damit auf dessen Nazi-Vergangenheit aufmerksam zu machen. Sie wurde dafür zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde 1969 umgewandelt in 4 Monate Haft auf Bewährung (vgl. www.netzwelt.de/lexikon/Beate_Klarsfeld.html, 18.08.2005).
10.    http://www.isl-ev.org/2005/08/18/mitgliedsorganisationen/, 18.08.2005.
11.    Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben Deutschland, ISL e.V..
12.    http://www.isl-ev.org/2001/06/21/grundungsresolution-der-isl-ev/, 18.08.2005.
13.    http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCndnis_90/Die_Gr%C3%BCnen, 22.08.2005.
14.    der Americans with Disabilities Act, kurz ADA, von 1990.
15.    www.nw3.de.
16.    http://www.aktion-mensch.de/chronik/index.html, 20.08.2005.
17.    lediglich Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen hatten Ende 2005 noch kein Landesgleichstellungsgesetz, es liegen aber auch dort zumindest Referentenentwürfe vor (http://www.wob11.de/gesetze/landesgleichstellungsgesetz.html#thueringen, 19.12.05).
18.    Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben.
19.    Franz Christoph teilte diese Meinung nicht vgl. Christoph 1993, 151 ff.
20.    www.weibernetz.de
21.    http://www.weibernetz.de/wir.html, 01.09.2005.
22.    Im Rahmen der Ausstellung des Hygiene Museums Dresden „Der (im)perfekte Mensch“ (vgl. Stiftung Deutsches Hygienemuseum 2001) haben 2001 und 2002 zwei Tagungen stattgefunden, auf denen die Disability Studies zum ersten Mal einem breiteren Publikum vorgestellt wurden.
23.    Die Sommeruni ist dokumentiert in Waldschmidt 2003 und Hermes/Köbsell 2003.
24.    „able“ = fähig, „dis“ als Negation : Disability = Unfähigkeit.
25.    „We have decided to reassign meaning rather than choose a new name”.
26.    Franz Christoph stellte 1980 einen Antrag auf politisches Asyl in den Niederlanden (Christoph 1980), „weil er seine Existenz in der BRD bedroht sah.“ (Klaus 1980, 6) Der Antrag wurde von den niederländischen Behörden abgelehnt.

Literatur:
Aktion Mensch: Chronik der Aktion Mensch
www.aktion-mensch.de/chronik/index.html, 18.08.2005

Arbeitskreis zur Aufarbeitung der Geschichte der „Euthanasie“ (1987): Kein neues Sterilisationsgesetz in der Bundesrepublik
In: die randschau 3/1987, S. 21 -22

Bradish, Paula; Feyerabend, Erika; Winkler, Ute (1989): Frauen gegen Gen- und Reproduktionstechnologien. Beiträge vom 2. bundesweiten Kongress Frankfurt, 28.-30.10.1988; Frauenoffensive: München

Bremer Krüppelfrauengruppe (1991): Trau, schau, wem..
In: Frauen gegen den § 218, bundesweite Koordination (Hg.): Vorsicht „Lebensschützer“! Die Macht der organisierten Abtreibungsgegner, Konkret Literatur Verlag: Hamburg, S. 227 -231

Christoph, Franz (1980): Asylantrag
In: Psychologie & Gesellschaftskritik, Jg. 4, Heft 3, S. 9 - 30

Christoph, Franz (1984): Unterdrückung durch Normalität
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Unveröffentlichte Diplomarbeit im Studiengang Sozialwissenschaft, Universität Bremen

Waldschmidt, Anne (2003): Kulturwissenschaftliche Perspektiven der Disability Studies. Tagungsdokumentation, bifos: Kassel

Waldschmidt, Anne (2005): Disability Studies: Individuelles, soziales und/oder kulturelles Modell von Behinderung?
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