"Wer bestimmt, was für mich gut ist?" - Rollenspiel: Talkshow

Einführung

Inhalt des Rollenspiels

In der Talkshow geht es um die 12-jährige Klara Demirel. Sie hat seit ihrer Geburt eine Sehbehinderung, die zunehmend schlechter wird. Klara, ihre Eltern, ihre Freundinnen, ihre Lehrerin und andere Pädagoginnen und Pädagogen sowie Expertinnen und Experten diskutieren darüber, wie sich Klaras weitere Schullaufbahn gestalten kann und wer eigentlich darüber entscheiden darf. Die Situation ist verschiedenen aktuellen Fällen nachempfunden und spiegelt reale Konflikte von Kindern mit Behinderungen und deren Eltern wider, bietet aber auch Hintergrundinformationen und Ansätze für Lösungsvorschläge.

Ziel des Rollenspiels

Das Rollenspiel "Talkshow", in dem verschiedene Personen Argumente austauschen, möchte wesentliche menschenrechtlich relevante Fragen in spielerischer Form thematisieren. Im Zentrum stehen die Fragen: Wer darf über andere Menschen bestimmen? Wie werden Behinderungen bewertet? Was können Behinderungen für Menschen bedeuten? Am Beispiel der Frage der Schulwahl sollen Fragen nach Selbstbestimmung und Teilhabe als alltäglich und für alle Menschen interessant und wichtig deutlich werden.

Die Situation

Die deutsch-türkische Familie Demirel lebt in einem kleinen Ort in einer ländlichen Gegend – im Umkreis von 50 km gibt es keine Stadt. Die 12-jährige Tochter Klara hat seit ihrer Geburt eine Sehbehinderung, und ihr Sehvermögen wird zunehmend schlechter. Sie ist jetzt in der 6. Klasse. Bisher geht Klara wie die anderen Kinder und Jugendlichen aus ihrem Dorf in die Realschule im Nachbarort. Dort wird sie in drei Stunden pro Woche von einer Sonderpädagogin unterstützt. In den restlichen Stunden arbeitet sie mit den anderen Schülerinnen und Schülern an der Tafel, im Buch oder auf Arbeitsblättern. Viele Lehrerinnen und Lehrer geben ihr dieselben Arbeitsblätter, wie sie auch ihre Mitschülerinnen und Mitschüler bekommen - nur mit stärkeren Kontrasten, weniger Farben und vergrößerter Schrift. Zum Lesen benutzt Klara manchmal eine Hellfeldlupe. Das ist eine Lupe mit der man besonders gut lesen kann, weil man sie nicht in der Hand halten muss, sondern auf den Text stellen kann. So wackelt nichts und man kann aus jeder Entfernung gut lesen.

Weil die Sehbehinderung zugenommen hat, braucht Klara nun mehr Unterstützung. Entweder müsste eine Person sie öfter unterstützen oder sie bräuchte weitere technische Hilfsmittel, wie zum Beispiel ein Lesegerät, das ihr die Texte stark vergrößert auf einem Bildschirm anzeigt. Am besten beides. Die Eltern, Klara, das Sozialamt und die Schule müssen nun gemeinsam eine Lösung finden. Schulleitung und Amt finden, dass Klara am besten ein Förderzentrum für sehbehinderte und blinde Schülerinnen und Schüler (früher: Sonderschule) besuchen soll. Dieses ist für Kinder mit einer Sehbehinderung besonders gut ausgestattet. Dieses Förderzentrum ist aber fast 100 Kilometer von Klaras zu Hause entfernt. Sie könnte dann nur noch an den Wochenenden nach Hause kommen und würde in der Woche mit anderen Jugendlichen, die auch nicht gut sehen können, in einem Internat leben. Klara und ihre Familie möchten etwas anderes.

Die Expertinnen und Experten

Die eingeladenen Expertinnen und Experten sind geteilter Meinung und diskutieren mit. Ihre Haltungen reichen von "Behinderung ist ein medizinisches Problem!" über "Die Umwelt und die Gesellschaft behindern Menschen!", "Behinderte haben ein Defizit" bis hin zu der menschenrechtlich fundierten Haltung "Menschen mit Behinderungen leisten jeden Tag einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft" und "Behinderungen entstehen im Zusammenspiel zwischen Umwelt und individuellen Gegebenheiten". Solche oder auch ganz andere Aussagen habt ihr vielleicht auch schon mal gehört. Mithilfe dieser Talkshow könnt ihr feststellen, warum es nicht sinnvoll ist, Behinderung allein als medizinisches oder individuelles Problem zu verstehen und was man menschenrechtlich unter Behinderung versteht.

Ablauf und Struktur des Rollenspiels

Damit ihr euch eine eigene Meinung bilden könnt, ist es wichtig, ein Thema erst einmal von möglichst verschiedenen Seiten kennenzulernen. Die Talkshow bietet diese Möglichkeit. In der Diskussion sollte deutlich werden, dass unterschiedliche Menschen Zusammenhänge verschieden beschreiben und aus anderen Perspektiven beleuchten. Zu Beginn habt ihr Zeit, euch auf die eigene Rolle vorzubereiten. Dann treffen sich die Gäste in der Talkshow und diskutieren über ihre verschiedenen Standpunkte. Diese können sich während der Diskussion auch verändern. Ein Moderationsteam leitet die Talkshow. Die Moderation hat eine wichtige Funktion: Sie strukturiert das Gespräch, stellt Fragen und fasst Aussagen zusammen.

Ein kurzer Überblick - Was passiert in einer Talkshow?

  • Die Organisationsgruppe oder die Moderationsgruppe erklären den Teilnehmenden die Zielsetzung und den Verlauf der Talkshow. Die Teilnehmenden bilden elf Kleingruppen (mindestens zwei Personen pro Gruppe).
  • Die Rollenkarten werden verteilt. Jede Gruppe hat 15 Minuten Zeit, um sich einzuarbeiten. In jeder Kleingruppe werden ein oder zwei Sprecherinnen oder Sprecher gewählt, die als Gäste an der Talkshow teilnehmen.
  • Die Moderationsgruppe eröffnet die Talkshow. Diese besteht aus zwei Phasen: 1. Alle Gäste stellen ihre Position in jeweils zwei Minuten vor. 2.  Anschließend wird 20 Minuten lang gemeinsam diskutiert.
  • Nach einer Pause wird die Talkshow gemeinsam besprochen: Welche Argumente wurden für welche Schulform genannt? Welche Sichtweisen gab es in der Diskussion hinsichtlich Klaras Situation und der Frage, wer über die Schule entscheiden darf? Welche Sichtweisen und Argumente haben euch überzeugt und warum?

 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Talkshow

  • Moderationsgruppe – Frau oder Herr Sonnentor und Team
  • Organisationsgruppe
  • Frau und Herr Demirel
  • Klara Demirel
  • Schuldirektorin - Herta Müller
  • Klassenlehrerin - Andrea Schmitt
  • Mitschülerinnen - Sarah und Yasemin
  • Mitarbeiterin vom Sozialamt – Jutta Meyer
  • Experte aus dem Bereich Medizin - Detlef Hase
  • Expertin aus dem Bereich Erziehung – Ellen Sanchez
  • Experte für die Rechte von Menschen mit Behinderungen – Dr. Hans-Peter Wagenknecht
  • Experte in eigener Sache - Erwin Wiese

Dieses Material braucht ihr für die Talkshow

Stühle, Papier, Stifte, Rollenkarten.

Vorbereitung

Die Gruppe oder Schulklasse wird in Kleingruppen eingeteilt. Eine Gruppe ist für die Moderation verantwortlich, die anderen Gruppen übernehmen jeweils eine der genannten Rollen.
Jede Kleingruppe sollte aus mindestens zwei Personen bestehen. In der Gruppe "Moderation" sollen möglichst mehr als zwei Personen mitarbeiten.
Sobald die Rollen verteilt sind, erhalten alle Kleingruppen ihre Rollenbeschreibung. Mit dieser können sie sich auf die Talkshow vorbereiten. Dazu haben sie 15 Minuten Zeit.

Gruppengröße

Am besten funktioniert das Rollenspiel mit mindestens 24 Teilnehmenden. Wenn ihr wenige Mitspielerinnen und Mitspieler seid, könnt ihr auch in jeder Gruppe nur eine Person die Rolle spielen lassen und die Organisation auch von der Moderationsgruppe übernehmen lassen. Dann ist das Spiel aber anspruchsvoller, weil die Teilnehmenden sich alleine vorbereiten und ihre Rolle vertreten müssen, ohne vorher mit ihren Mitspielerinnen oder Mitspielern diskutiert zu haben.

Zur Weiterarbeit

  • Wie hat euch das Spiel gefallen?
  • Welche Informationen fehlten euch, bzw. welche Informationen wollt ihr gern recherchieren?