Planspiel: Rollenkarte Australische Regierungsdelegation
Phase 1
Julia Bertmann, 28:
"Ich komme gut klar, aber die Leute…
Mit meiner Behinderung komme ich gut klar, aber es gibt Leute, die nicht behindert sind, die sagen: Diese junge Frau tut mir leid, sie sieht so komisch aus. Was hat sie denn? Ist sie krank? Das sagen ihre Augen. Sie trauen sich nicht, das laut zu sagen, weil sie denken, sie ist doof und mit der spricht man nicht.
Eine Behinderung ist keine Krankheit. Wir Behinderte sind so geboren. Wir können nichts dazu. (…) Ich möchte so behandelt werden wie nichtbehinderte Menschen. Ich mag mich so wie ich bin. I am what I am. Ich lebe genau so wie nichtbehinderte Menschen."
Allgemeine Informationen über euch
Ihr vertretet Australien bei den Verhandlungen in New York. Bei euch in Australien hat jeder Bundesstaat und jedes Gebiet sein eigenes Bildungssystem. In den Schulsystemen gibt es deswegen kleine Unterschiede. In jedem Bundesstaat gibt es öffentliche und private Schulen. Es gibt gesonderte Förderschulen und spezielle Bildungsprogramme innerhalb von Regelschulen für Kinder mit Behinderungen und für Kinder mit anderen besonderen Bedürfnissen oder Begabungen.
Euer Schwerpunkte und Forderungen bei den Verhandlungen: Keine Hindernisse mehr für Menschen mit Behinderungen
Als Vertreter der australischen Regierung fordert ihr eine Konvention, die den Rechten von Menschen mit Behinderungen umfassend gerecht wird. Für euch bedeutet dies, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Barrierefreiheit und Zugang zu ihrer Umwelt haben. Das bedeutet, dass es keine Hindernisse für Menschen mit Behinderungen geben soll.
Hierzu gehört der barrierefreie Zugang zu:
- Öffentlichen Gebäuden, Einrichtungen und Straßen,
- Sozialwohnungen und sozialen Einrichtungen,
- öffentliche Dienstleistungen, insbesondere aus dem Gesundheits- und Bildungswesen,
- Beschäftigung, Arbeitsplätze und
- unterstützende Informations- und Kommunikationsdienste.
Wenn diese Maßnahmen für einzelne Menschen nicht ausreichen, muss ein Recht auf eine individuelle Vorkehrung, die den Bedürfnissen des- oder derjenigen angemessen ist, verankert werden.
Tipp: Schreibt diese Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird sie in der Verhandlung zwei Minuten lang vorstellen. Sprecht euch in eurer Gruppe gut ab, denn ihr sollt ein einheitliches Bild nach außen abgeben. Macht euch durch euer Gruppenemblem erkennbar. In der Gruppe dürft ihr so viel diskutieren, wie ihr wollt. Ihr könnt dabei eure Rolle auch ausschmücken, mit eigenen Argumenten und Ideen bereichern oder etwas dazu erfinden. Beachtet aber bitte, dass ihr euch nicht zu weit von den Anregungen auf der Rollenkarte entfernt.
Beachtet bitte, dass das Recht auf Bildung in dieser Phase noch nicht im Mittelpunkt steht!
Phase 2
Haydee Beckles aus Panama:
"Ich habe meine Schulausbildung in einer Regelschule begonnen, aber ich war sehr langsam und schlief auf meinem Stuhl ein, daher hat der Lehrer gesagt, dass ich auf eine spezielle Schule gehen müsse. Sie haben mich auf eine Sonderschule geschickt. In dieser Schule haben sie kein Englisch gesprochen, nur Spanisch, und so musste ich Spanisch lernen. Dies war nicht meine Muttersprache, weil wir zu Hause Englisch gesprochen haben. Ich habe mich also angepasst und lebte von da an in zwei Welten. Zum einen im Sonderschulsystem, dort haben sie nur wenig von mir erwartet, also tat ich das Wenige. Zum anderen war ich zu Hause, meine Mutter und mein Vater haben mich in alles inkludiert, also einbezogen. Sie haben mich gelehrt, die Dinge auf meine eigene Weise zu tun. Ich habe gelernt meine Hausaufgaben langsam zu machen, mit all meinen Geschwistern. Ich habe gelernt, Diktate zu schreiben, Rechtschreibung zu üben und im Wörterbuch nachzuschlagen, mein Zimmer aufzuräumen und den Abwasch zu machen ohne etwas kaputt zu machen. Auf diese Weise habe ich gelernt, selbständig in der Gemeinschaft, gemeinsam mit allen anderen, zu leben. Mit meinem heutigen Verständnis sehe ich, dass meine Entwicklung besser verlaufen wäre, wenn ich in einer Regelschule unterrichtet worden wäre. Ich bin aus Panama hergekommen, um Sie alle zu bitten, anderen Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, in eine Schule für Alle zu gehen, in ihrer Gemeinde."
Eure Forderungen zum Recht auf Bildung:
Unter Bildung versteht ihr nicht nur ein Schulsystem, in dem Leistung abgerufen wird. Kinder mit und ohne Behinderungen sollen durch Bildung ihre sozialen Fähigkeiten erweitern, Freunde finden, sich in ihrer Gemeinde wohl fühlen und dadurch auch Spaß daran entwickeln, sich zu engagieren für ihre Gemeinde. Bildung soll in einer Schule in der direkten Umgebung stattfinden, also in der Gemeinde in der man lebt und in die auch die Kinder aus der Nachbarschaft gehen. Ihr findet nicht gut, dass Kinder lange Schulwege haben und in getrennte Schulen gehen, nur weil sie eine Behinderung haben. Das reißt soziale Umfelder auseinander und löst Gemeinschaften auf, die sich gegenseitig stützen sollten. Damit sich auch Menschen mit Behinderungen in ihren Gemeinden wohl fühlen, müssen mehr Menschen auch leichte Sprache, Braille und Gebärdensprache sprechen. Deshalb setzt ihr euch dafür ein, dass zumindest Braille und Gebärdensprache als offizielle Sprachen anerkannt werden und auch unterrichtet werden.
Ihr fordert außerdem eine rechtliche Absicherung von Orientierungs- und Mobilitätstrainings für Menschen mit Sehbehinderungen. Menschen die nicht gut sehen können oder die vollständig blind sind, muss ein Training zukommen, mit dem sie lernen, sich in ihrer Stadt oder Gemeinde zurechtfinden. Das beinhaltet ein Training zum Busfahren, Einkaufen und für alle anderen für sie wichtigen Aktivitäten. Ihr findet, dass Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung bisher nicht genügend beachtet werden. Alle sehenden und hörenden Menschen müssen sensibler mit ihnen umgehen und ihnen mehr Beachtung schenken. Deswegen müssen ihre Rechte ganz deutlich im Artikel 24 zur Geltung kommen.
Tipp: Auch in Phase 2 dürft ihr wieder kreativ die Argumente und Forderungen ausschmücken und etwas dazu erfinden. Wichtig ist nur, dass ihr euch nicht zu weit von den Inhalten auf der Rollenkarte entfernt. Schreibt eure Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird diese wieder der Versammlung vorstellen. Denkt daran, dass in Phase 2 auch jemand anders für eure Gruppe sprechen kann als in Phase 1. Für die Vorstellung in der Versammlung habt ihr wieder zwei Minuten Zeit. Dann folgt eine Diskussion. Bereitet euch gut vor und bedenkt, dass ihr euch auch von anderen überzeugen lassen dürft und natürlich versuchen sollt, andere zu überzeugen. Die Ergebnisse der Diskussion sind offen. Wichtig ist nur, dass es am Ende eine Einigung gibt. Also seid diplomatisch.
Wenn andere Verhandlungsteilnehmende euch ablenken oder andere Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund stellen als ihr, könnt ihr dies verstehen und auch annehmen. Euch ist aber trotzdem wichtig, eure inhaltlichen Schwerpunkte zu betonen und darüber zu verhandeln.
Übersicht über die anderen Gruppen
Damit ihr einschätzen könnt, was in den Verhandlungen auf euch zukommt, hier eine kurze Übersicht darüber, was die anderen Gruppen fordern. Überlegt in eurer Gruppe, wie ihr zu diesen Forderungen steht, ob ihr sie gut findet oder ablehnt. Bereitet euch damit auf die kommende Verhandlung vor.
Die Afrikanische Union fordert die besondere Förderung der Rechte von Mädchen und Frauen mit Behinderungen, auch in der Bildung und für eine Schule für Alle.
Australien möchte, dass jedes Kind in eine Schule für Alle geht, die wohnortnah ist und in die auch die Nachbarskinder gehen.
Brasilien findet, dass Bildung gemeinsam in einer Schule stattfinden soll, weil sich dadurch die Einstellung von Menschen ohne Behinderung gegenüber Menschen mit Behinderungen positiv verändern kann.
China möchte die Förderung der Armutsbekämpfung ausweiten und verschiedene Schulformen ermöglichen: Es muss der chinesischen Delegation zufolge für jedes Kind eine Schule geben, aber nicht unbedingt eine Schule für Alle.
Die Europäische Union möchte Chancengleichheit durch Bildung ermöglichen. Ihre Mitglieder sind sich nicht ganz einig, was genau das für das Schulsystem heißt.
Inclusion International fordert eine Schule für Alle, denn nur eine Schule für Alle kann die Kreativität und Begabungen von allen Kindern fördern.
Das Internationale Bündnis von Menschen mit Behinderungen fordert eine Schule für Alle und die Einführung von Brailleschrift, Leichter Sprache und Gebärdensprache als Fremdsprachen.
Japan legt besonders viel Wert auf eine kostenlose Bildung für jedes Kind. Das Schulsystem mit unterschiedlichen Schulformen sollte beibehalten werden.
Kanada ist der Meinung, dass Bildung unbedingt der Würde der Kinder gerecht werden muss und dass dies nur in einer Schule für Alle geschehen kann.
Norwegen legt großen Wert auf Lebenslanges Lernen, also Bildung für alt und jung. Norwegen hat keine klaren Vorstellungen darüber, ob es in Zukunft eine Schule für Alle oder verschiedene Schulformen geben sollte.
Die Weltorganisation gehörloser Menschen, die Weltorganisation für gehörloseblinde Menschen und die Weltorganisation für blinde Menschen sind sich einig, dass es verschiedene Schulformen geben muss. Aus ihrer Sicht ist die Forderung nach einer Schule für Alle nicht angemessen für Menschen, die blind, gehörlos oder gehörlosblind sind.
Quellen:
1: Julia Fischer, Anne Ott, Fabian Schwarz (Hg.) 2010: Mehr vom Leben. Frauen und Männer mit Behinderung erzählen. Balance Buch, Bonn, S. 266.
2: S. 138 Originalstatement aus den Dokumenten von Inclusion International, übersetzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte