Planspiel: Rollenkarte Afrikanische Union

Phase 1

Julia Bertmann, 28:
"Ich komme gut klar, aber die Leute…
Mit meiner Behinderung komme ich gut klar, aber es gibt Leute, die nicht behindert sind, die sagen: Diese junge Frau tut mir leid, sie sieht so komisch aus. Was hat sie denn? Ist sie krank? Das sagen ihre Augen. Sie trauen sich nicht, das laut zu sagen, weil sie denken, sie ist doof und mit der spricht man nicht.
Eine Behinderung ist keine Krankheit. Wir Behinderte sind so geboren. Wir können nichts dazu. (…) Ich möchte so behandelt werden wie nichtbehinderte Menschen. Ich mag mich so wie ich bin. I am what I am. Ich lebe genau so wie nichtbehinderte Menschen." 

Allgemeine Informationen über euch

Als Afrikanische Union seid ihr ein Zusammenschluss afrikanischer Staaten und damit eine internationale, zwischenstaatliche Organisation. Ihr wollt afrikanische Positionen und Interessensangelegenheiten des Kontinents, der einzelnen afrikanischen Länder und deren Bevölkerung repräsentieren. Es ist für euch sehr wichtig, den Frieden und die Sicherheit in Afrika sicherzustellen. Ihr fordert mehr Demokratie, verantwortungsbewusste Regierungsführung und den Schutz der Menschenrechte in allen afrikanischen Staaten. Ihr vertretet beispielsweise Senegal und Kenia in den Verhandlungen.

Euch ist bewusst, dass mit einer Behinderung zu leben etwas alltägliches ist. Denn immerhin leben der Weltgesundheitsorganisation zufolge mindestens 15% der Menschen weltweit mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Das sind etwa 650 Millionen Menschen. Ausserdem gibt es immer mehr alte und chronisch kranke Menschen, Menschen mit Mangel- oder Fehlernährung, Landminenverwundete durch Kriege, Menschen mit Gewalterfahrungen, mit HIV und AIDS. Es gibt Umweltschädigungen, schlechten Zugang zu Elektrizität, Wasser und zur Sanitärversorgung. Viele der Gründe hängen eng mit der Armut der Menschen zusammen oder werden durch Armut bedingt. Eure Forschungen haben ergeben, dass etwa 80% von den 650 Millionen Menschen in Ländern in Armut leben. Da viele Menschen in afrikanischen Staaten in Armut leben, geht ihr davon aus, dass auch viele Menschen mit Behinderungen in Afrika oder zum Beispiel der Karibik und Asien leben. Ihr findet es erschütternd, dass nur etwa 1 bis 5% dieser Menschen mit Behinderungen Zugang zu Bildung erhalten.

Euer Schwerpunkt bei den Verhandlungen: Die Förderung der Rechte von Mädchen und Frauen mit Behinderungen

Als Afrikanische Union seid ihr überzeugt, dass es ein rechtsverbindliches Instrument für Menschen mit Behinderungen geben muss. Ihr bezieht eure Forderungen auf die besondere Notlage von Menschen mit Behinderungen auf dem afrikanischen Kontinent, die häufig unter extremer Armut leiden und im Besonderen auf die Situation von Frauen mit Behinderungen. Frauen mit Behinderungen sehen sich besonders schweren Lebensbedingungen gegenüber. Sie haben oftmals nur geringen Zugang zu Bildung, Arbeit und sozialen Diensten. Sie repräsentieren dadurch die wohl am meisten ausgegrenzte Gruppe. Besonders hebt die Afrikanische Union den Aspekt der sexuellen Identität für Frauen in den Vordergrund und ganz speziell für Frauen mit Behinderungen. Ihnen wird oftmals verboten zu heiraten oder Kinder zu haben, alleine aufgrund ihrer Behinderung.

Eure Forderungen an den Vertrag insgesamt:

Ihr wollt, dass die Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderungen ausdrücklich bedacht und erwähnt werden. Besonders relevant erscheint euch für Frauen mit Behinderung eine angemessene Frauengesundheits- und Bildungspolitik.

Eure Argumente:

Einige Beispiele belegen den besonderen Bedarf:

  • in der Geburtshilfe kennt sich kaum jemand mit einer natürlichen Geburt von querschnittsgelähmten Frauen aus,
  • Arztpraxen sind häufig nicht barrierefrei,
  • Frauen und Männer mit Behinderungen die ein Kind bekommen benötigen eine sogenannte Elternassistenz, wenn sie aufgrund der Behinderung nicht alleine für das Kind sorgen können. Das kann für rollstuhlfahrende Frauen die Assistenz bei der Pflege des Kindes in den ersten Lebensjahren sein oder bei blinden Müttern eine Assistenzkraft zum Vorlesen und zur Hausaufgabenbetreuung.
  • Frauen mit Behinderungen sind insbesondere in Heimen von Pflegekräften häufig sexueller Gewalt ausgesetzt. Hiergegen müssen sie sich schützen können, beispielsweise indem es weniger Großeinrichtungen gibt, sie in Selbsthilfe und Selbstverteidigung geschult werden und ihre Pflegekräfte selbst aussuchen können.
  • Alle benachteiligenden Faktoren, die auf Frauen ohne Behinderungen weltweit zutreffen, treffen auf die Frauen mit Behinderungen häufig in vielfacher Weise zu. Aus diesem Grund sind sie in besonderer Weise vor Armut, Ausbeutung und schlechter Versorgung zu schützen. Hierfür müssen bereits Mädchen mit Behinderungen von frühster Kindheit an besonders in ihrer Entwicklung gefördert werden.

Bislang gibt es keinen Rechtsanspruch für diese Form der Unterstützung und Schulung. Dies ist für euch nicht zu akzeptieren.

Tipp: Schreibt diese Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird sie in der Verhandlung zwei Minuten lang vorstellen. Sprecht euch in eurer Gruppe gut ab, denn ihr sollt ein einheitliches Bild nach außen abgeben. Macht euch durch euer Gruppenemblem erkennbar. In der Gruppe dürft ihr so viel diskutieren, wie ihr wollt. Ihr könnt dabei eure Rolle auch ausschmücken, mit eigenen Argumenten und Ideen bereichern oder etwas dazu erfinden. Beachtet aber bitte, dass ihr euch nicht zu weit von den Anregungen auf der Rollenkarte entfernt.

Beachtet bitte, dass das Recht auf Bildung in dieser Phase noch nicht im Mittelpunkt steht!

Phase 2

Haydee Beckles aus Panama:
"Ich habe meine Schulausbildung in einer Regelschule begonnen, aber ich war sehr langsam und schlief auf meinem Stuhl ein, daher hat der Lehrer gesagt, dass ich auf eine spezielle Schule gehen müsse. Sie haben mich auf eine Sonderschule geschickt. In dieser Schule haben sie kein Englisch gesprochen, nur Spanisch, und so musste ich Spanisch lernen. Dies war nicht meine Muttersprache, weil wir zu Hause Englisch gesprochen haben. Ich habe mich also angepasst und lebte von da an in zwei Welten. Zum einen im Sonderschulsystem, dort haben sie nur wenig von mir erwartet, also tat ich das Wenige. Zum anderen war ich zu Hause, meine Mutter und mein Vater haben mich in alles inkludiert, also einbezogen. Sie haben mich gelehrt, die Dinge auf meine eigene Weise zu tun. Ich habe gelernt meine Hausaufgaben langsam zu machen, mit all meinen Geschwistern. Ich habe gelernt, Diktate zu schreiben, Rechtschreibung zu üben und im Wörterbuch nachzuschlagen, mein Zimmer aufzuräumen und den Abwasch zu machen ohne etwas kaputt zu machen. Auf diese Weise habe ich gelernt, selbständig in der Gemeinschaft, gemeinsam mit allen anderen, zu leben. Mit meinem heutigen Verständnis sehe ich, dass meine Entwicklung besser verlaufen wäre, wenn ich in einer Regelschule unterrichtet worden wäre. Ich bin aus Panama hergekommen, um Sie alle zu bitten, anderen Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, in eine Schule für Alle zu gehen, in ihrer Gemeinde." 

Eure Forderungen zum Recht auf Bildung: Es muss besondere Regelungen für Mädchen und Frauen geben

Auch in der Bildung ist euch die besondere Berücksichtigung von Mädchen und Frauen sehr wichtig. Sie müssen besonders gefördert werden und auch besondere Bedeutung in der Bildungspolitik bis hinein in die Lehrpläne erhalten, um auch ihr Recht auf Bildung zu verwirklichen.

Eure Forderung:

Um das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung zu verwirklichen, ist es notwendig, dass sich Mädchen und Frauen selbst für ihre Assistenten und Assistentinnen, beispielsweise in der Schule, entscheiden können, um nicht der Gefahr sexueller Gewalt in der Pflege ausgesetzt zu sein.   Auch die Lehrpläne und Methoden müssen berücksichtigen, dass Mädchen und Frauen mit Behinderungen genauso ein Recht haben auf sexuelle Aufklärung wie alle anderen Kinder und ihre Behinderung dabei respektvoll berücksichtigt werden muss. Sie haben das Recht auf Teilhabe an Klassenfahrten, an Pausentreffen und an Exkursionen, bei denen sicher gestellt sein muss, dass Übergriffe auf Mädchen und Frauen nicht möglich sind - sie aber gleichzeitig Teil der Gruppe sein können. Auch die Teilnahme am Sportunterricht muss in einer menschenwürdigen Weise sicher gestellt werden. Und dies auch für Mädchen und Frauen, die beispielsweise auf Pflege und Unterstützung beim Umziehen angewiesen sind.

Grundlegend muss ein barrierefreier Zugang zu allen Bildungsangeboten und eine freie Wahl von Bildungs- und Ausbildungsstätten von Kindergarten über Schule bis Hochschule sichergestellt sein.

Tipp: Auch in Phase 2 dürft ihr wieder kreativ die Argumente und Forderungen ausschmücken und etwas dazu erfinden. Wichtig ist nur, dass ihr euch nicht zu weit von den Inhalten auf der Rollenkarte entfernt. Schreibt eure Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird diese wieder der Versammlung vorstellen. Denkt daran, dass in Phase 2 auch jemand anders für eure Gruppe sprechen kann als in Phase 1. Für die Vorstellung in der Versammlung habt ihr wieder zwei Minuten Zeit. Dann folgt eine Diskussion. Bereitet euch gut vor und bedenkt, dass ihr euch auch von anderen überzeugen lassen dürft und natürlich versuchen sollt, andere zu überzeugen. Die Ergebnisse der Diskussion sind offen. Wichtig ist nur, dass es am Ende eine Einigung gibt. Also seid diplomatisch.

Wenn andere Verhandlungsteilnehmende euch ablenken oder andere Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund stellen als ihr, könnt ihr dies verstehen und auch annehmen. Euch ist aber trotzdem wichtig, eure inhaltlichen Schwerpunkte zu betonen und darüber zu verhandeln.

Übersicht über die anderen Gruppen

Damit ihr einschätzen könnt, was in den Verhandlungen auf euch zukommt, hier eine kurze Übersicht darüber, was die anderen Gruppen fordern. Überlegt in eurer Gruppe, wie ihr zu diesen Forderungen steht, ob ihr sie gut findet oder ablehnt. Bereitet euch damit auf die kommende Verhandlung vor.

Die Afrikanische Union fordert die besondere Förderung der Rechte von Mädchen und Frauen mit Behinderungen, auch in der Bildung und für eine Schule für Alle.

Australien möchte, dass jedes Kind in eine Schule für Alle geht, die wohnortnah ist und in die auch die Nachbarskinder gehen.

Brasilien findet, dass Bildung gemeinsam in einer Schule stattfinden soll, weil sich dadurch die Einstellung von Menschen ohne Behinderung gegenüber Menschen mit Behinderungen positiv verändern kann.

China möchte die Förderung der Armutsbekämpfung ausweiten und verschiedene Schulformen ermöglichen: Es muss der chinesischen Delegation zufolge für jedes Kind eine Schule geben, aber nicht unbedingt eine Schule für Alle.

Die Europäische Union möchte Chancengleichheit durch Bildung ermöglichen. Ihre Mitglieder sind sich nicht ganz einig, was genau das für das Schulsystem heißt.

Inclusion International fordert eine Schule für Alle, denn nur eine Schule für Alle kann die Kreativität und Begabungen von allen Kindern fördern.

Das Internationale Bündnis von Menschen mit Behinderungen fordert eine Schule für Alle und die Einführung von Brailleschrift, Leichter Sprache und Gebärdensprache als Fremdsprachen.

Japan legt besonders viel Wert auf eine kostenlose Bildung für jedes Kind. Das Schulsystem mit unterschiedlichen Schulformen sollte beibehalten werden.

Kanada ist der Meinung, dass Bildung unbedingt der Würde der Kinder gerecht werden muss und dass dies nur in einer Schule für Alle geschehen kann.

Norwegen legt großen Wert auf Lebenslanges Lernen, also Bildung für alt und jung. Norwegen hat keine klaren Vorstellungen darüber, ob es in Zukunft eine Schule für Alle oder verschiedene Schulformen geben sollte.

Die Weltorganisation gehörloser Menschen, die Weltorganisation für gehörloseblinde Menschen und die Weltorganisation für blinde Menschen sind sich einig, dass es verschiedene Schulformen geben muss. Aus ihrer Sicht ist die Forderung nach einer Schule für Alle nicht angemessen für Menschen, die blind, gehörlos oder gehörlosblind sind.

Quellen:
1: Julia Fischer, Anne Ott, Fabian Schwarz (Hg.) 2010: Mehr vom Leben. Frauen und Männer mit Behinderung erzählen. Balance Buch, Bonn, S. 266.
2: S. 138 Originalstatement aus den Dokumenten von Inclusion International, übersetzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte
www.africa-union.org/root/au/index/index.htm