Zukunftsplanung: Personenzentriertes Denken und Persönliche Zukunftsplanung - Grundlagen und Grundgedanken
von Stefan Doose
"Wenn in der Zukunft Hoffnung liegt, liegt Kraft in der Gegenwart."
John Maxwell
Was ist Persönliche Zukunftsplanung?
Bei einer Persönlichen Zukunftsplanung denken mehrere Menschen gemeinsam über das Leben einer Person nach: die Person selbst, ihre Familie, Freundinnen, Freunde und Fachleute. Die Person um die es geht, kann eine Person mit oder ohne Behinderungen sein, ein Kind, jugendlich oder erwachsen. Dabei geht es zum Beispiel um folgende Fragen: Was ist mir im Leben besonders wichtig, damit es mir gut geht? Wie sieht eine wünschenswerte Zukunft für mich aus? Was sind meine Ziele? Welche Unterstützung benötige ich? Was sind die nächsten Schritte? Wer kann dabei wie helfen?
Wann ist eine Persönliche Zukunftsplanung sinnvoll?
Persönliche Zukunftsplanung bietet sich immer dann an, wenn sich im Leben etwas ändern soll, wird oder muss. Bei Kindern kann es zum Beispiel um den Übergang in die Krippe gehen, um die Einbeziehung eines Kindes mit hohem Unterstützungsbedarf in den Kindergartenalltag oder um den Übergang vom Kindergarten in die Schule.
Wer startet eine Persönliche Zukunftsplanung?
Bei Kindern sind es zunächst oft die Familien, die sich eine Zukunftsplanung für ihr Kind und für sich als Familie wünschen, weil sie sich Gedanken machen, wie es weitergehen kann. Manchmal haben auch Fachleute die Idee, dass eine Zukunftsplanung dem Kind und der Familie helfen würde.
Was ist ein Unterstützungskreis?
Die Kraftzelle einer Zukunftsplanung ist der Unterstützungskreis. Im Unterstützungskreis kommen sowohl Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde sowie Bekannte des Kindes und der Familie als auch verschiedene Fachleute zusammen, um mitzudenken und mitzuhelfen. Viele haben zunächst Hemmungen, andere Menschen um Unterstützung zu fragen. Aber viele Menschen empfinden es als Ehre, dabei zu sein und ihren Beitrag leisten zu können. Also trauen Sie sich ruhig, alle Menschen anzusprechen, von denen Sie denken, dass sie hilfreich sein könnten.
Woher stammt das Konzept der Persönlichen Zukunftsplanung?
Das Konzept der Persönlichen Zukunftsplanung wurde im englischsprachigen Raum unter dem Namen "Person Centred Planning" seit den 80er-Jahren entwickelt. Im deutschsprachigen Raum machten es seit Mitte der 90er-Jahre unter anderem Ines Boban, Stefan Doose, Carolin Emrich, Susanne Göbel und Andreas Hinz bekannt.
Von welcher Grundhaltung geht Persönliche Zukunftsplanung aus?
Persönliche Zukunftsplanung basiert auf einem Denken, welches die Fähigkeiten und Möglichkeiten aller in den Blick nimmt und darauf aufbaut: Was kann ein Kind, bei alledem, was ihm vielleicht noch schwer fällt? Was interessiert es? Welche Möglichkeiten gibt es? Welche müssen neu geschaffen werden? Dieses personenzentrierte Denken verlangt von den Beteiligten, genau hinzuschauen, hinzuhören und miteinander ins Gespräch zu kommen. Es geht darum, einander genau kennenzulernen, um herauszufinden, was der im Mittelpunkt stehenden Person selbst wichtig ist und was für sie wichtig ist, damit es ihr gut geht und sie ihre Fähigkeiten entfalten kann. Diese Grundhaltung ist die Basis Persönlicher Zukunftsplanung.
Was ist das Ziel von Persönlicher Zukunftsplanung?
Persönliche Zukunftsplanung ist nicht eine Methode, sondern umfasst viele methodische Ideen und Planungsansätze, um mit der planenden Person, ihrer Familie, ihren Freundinnen und Freunden und Fachleuten positive Veränderungen zu bewirken. Dabei geht es vor allem darum, für die im Mittelpunkt stehende Person etwas Positives in Gang zu bringen und ihre Ziele zu erreichen. Es geht aber auch darum, dass sich Organisationen verändern und man gemeinsam vor Ort neue Möglichkeiten schafft.
"Der Prozess der Persönlichen Zukunftsplanung schlägt eine Reihe von Aufgaben vor und hält verschiedene Methoden bereit, die uns helfen einen Prozess mit Menschen zu beginnen, um ihre Fähigkeiten aufzudecken, Möglichkeiten vor Ort zu entdecken und neue Dienstleistungen zu erfinden, die mehr helfen als im Weg stehen."
Beth Mount
Überblick über unser Angebot zum Thema Personenzentriertes Denken und Persönliche Zukunftsplanung für Kinder
Wir stellen Ihnen neben Grundlagentexten verschiedene Methoden des personenzentrierten Denkens und der Persönlichen Zukunftsplanung vor. Hier ein Überblick:
Inklusion als Menschenrecht – Persönliche Zukunftsplanung als Weg
Persönliche Zukunftsplanung ist ein wertegeleiteter Ansatz. Das Ziel von Persönlicher Zukunftsplanung ist es, Inklusion zu gestalten und die Menschenrechte jedes Menschen zu verwirklichen. In diesem Abschnitt finden Sie Informationen über Inklusion und Menschenrechte sowie wichtige gesetzliche Grundlagen, die Ausgangspunkt und Argumentationsbasis für Persönliche Zukunftsplanungsprozesse sein können.
Das Kind kennenlernen – ICH-Seiten, Karten und Fragen
Das Kind kennenzulernen, mit ihm auf Augen- und Ohrenhöhe zu kommunizieren, ist die Grundlage der Persönlichen Zukunftsplanung. Hier finden Sie Methoden wie ICH-Seiten, Kartensets und anregende Fragen, um die Lebenswelt des Kindes kennenzulernen und sichtbar werden zu lassen.
Methoden personenzentrierten Denkens – das einzelne Kind und die notwendige Unterstützung in den Blick nehmen
Es gibt eine Reihe von Methoden personenzentrierten Denkens, die helfen herauszufinden, was einem Kind und seiner Familie wichtig ist, was das Kind braucht, um gesund und sicher zu sein, und wie es kommuniziert.
Wertschätzung ausdrücken - Was andere an mir schätzen und mögen…
Gegenseitige Wertschätzung ist eine wichtige Basis für eine positive Entwicklung und eine Persönliche Zukunftsplanung. In diesem Abschnitt stellen wir Ihnen eine Reihe kreativer Methoden vor, wie Wertschätzung ausgedrückt werden kann, zum Beispiel auf Postkarten, T-Shirts, Buttons, Elefanten, Laternen und natürlich durch die Blume…
Eine Seite über mich… – Was ihr über mich wissen solltet
Auf der „Einen Seite über mich“ werden wichtige Informationen zusammengestellt, damit andere Personen Ihr Kind gut unterstützen können. Diese Seite fasst zusammen, was Ihrem Kind wichtig ist, was andere an ihm mögen und wie es gut unterstützt werden kann. Lernen Sie anhand von Beispielen kennen, wie die „Eine Seite über mich“ beim Übergang in die Krippe, den Kindergarten oder die Schule genutzt werden kann.
Fähigkeiten erkunden und Lernen dokumentieren - Ich kann etwas und lerne…
Die Fähigkeiten und Gaben eines Kindes zu sehen und zu würdigen ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer Persönlichen Zukunftsplanung. In diesem Abschnitt lernen Sie Methoden kennen, um Fähigkeiten und Lernprozesse von Kindern mit den Kindern zu erkunden und festzuhalten, zum Beispiel auf „Ich kann“-Seiten, durch Hutkarten oder das Konzept der Lerngeschichten.
Das Portfolio bzw. ICH-Buch des Kindes, eine stärkenorientierte Entwicklungsdokumentation
Das Portfolio – auch ICH-Buch genannt – ist eine tolle personenzentrierte Methode, um das Kind zu sehen und seine Entwicklung aufzuzeigen. Ein pädagogisches Portfolio orientiert sich stets an den Stärken, den Interessen und Vorlieben des Kindes. Es stellt somit die Kompetenzen des Kindes in den Vordergrund und dokumentiert anschaulich seine Lernschritte und Lernerfolge. Es eignet sich gut zur Vorbereitung einer Persönlichen Zukunftsplanung und von dieser kann wiederum im Portfolio berichtet werden.
Unterstützungskreise - Ich bin nicht allein
Persönliche Zukunftsplanung geschieht in der Regel mithilfe eines Unterstützungskreises. Im Unterstützungskreis kommen sowohl Familienmitglieder, Freundinnen und Freunde sowie Bekannte als auch verschiedene Fachleute freiwillig zusammen, um die planende Person bei der Persönlichen Zukunftsplanung zu unterstützen. In diesem Abschnitt erfahren Sie mehr über die Gestaltung und Moderation eines Unterstützungskreises.
Persönliche Lagebesprechungen - Was läuft gut, was nicht?
Die Persönliche Lagebesprechung ist ein personenzentriertes Planungsformat. Sie eignet sich gut dazu, sich einen schnellen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen, wichtige Themen herauszufiltern und erste Schritte zu planen. Die Stärke der Persönlichen Lagebesprechung ist, dass sie die Situation aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und diese getrennt erfasst (zum Beispiel Kind, Familie, Fachkräfte).
MAPS – Die eigenen Gaben einbringen
MAPS ist ein Planungsprozess mit einem Unterstützungskreis für Personen, bei denen sich eine Veränderung ankündigt, wie zum Beispiel das Verlassen des Kindergartens, der Beginn an einer neuen Schule oder der Schulabschluss. Bei MAPS geht es darum, die Geschichte der Person, ihre Träume und Albträume sowie ihre Gaben zu erkunden, um dann zu sehen, was sie benötigt, um ihre Gaben in die Gemeinschaft einbringen zu können.
PATH - Wege beschreiten, Übergänge gestalten
PATH ist ein Planungsprozess mit einem Unterstützungskreis für Personen, die schon eine Vorstellung davon haben, wie ihre Situation in Zukunft sein soll, aber den Weg dahin noch klären müssen. Der PATH-Prozess setzt an den gemeinsamen Werten und Visionen der planenden Person und ihres Unterstützungskreises an, zeichnet eine wünschenswerte Zukunft, beschreibt die gegenwärtige Situation, sucht dann Unterstützerinnen und Unterstützer sowie Stärkungsmöglichkeiten für den Weg, beschreibt wichtige Zwischenschritte und endet mit einem konkreten Aktionsplan für den nächsten Monat.
Weitere Informationen und Materialien zum Thema Persönliche Zukunftsplanung finden Sie auch auf der Website „Persönliche Zukunftsplanung“.
"Die Zukunft, die wir wollen, müssen wir selbst erfinden!
Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen."Joseph Beuys
Vertiefende Literatur zum Thema Persönliche Zukunftsplanung:
Ines Boban (2008): Bürgerzentrierte Zukunftsplanung in Unterstützerkreisen. Inklusiver Schlüssel zu Partizipation und Empowerment pur. In: Hinz, Andreas, Körner, Ingrid & Niehoff, Ulrich (Hrsg.): Von der Integration zur Inklusion. Grundlagen – Perspektiven – Praxis. Marburg: Lebenshilfe, S. 230-247
Stefan Doose (2011): „I want my dream!“ Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven und Methoden einer personenzentrierten Planung mit Menschen mit Behinderungen. Broschüre mit Materialienteil. 9. überarbeitete Auflage Kassel: Mensch zuerst. Der einführende Textteil (80 S.) ist verfügbar auf der Website „Persönliche Zukunftsplanung“ (PDF, 97 KB).
Stefan Doose, Carolin Emrich, Susanne Göbel (2004): Käpt’n Life und seine Crew. Ein Planungsbuch zur Persönlichen Zukunftsplanung. Zeichnungen von Tanay Oral. Kassel: Netzwerk People First Deutschland
Carolin Emrich, Petra Gromann, Ulrich Niehoff (2006): Gut Leben. Persönliche Zukunftsplanung realisieren – ein Instrument. Marburg: Lebenshilfe-Verlag.
Helen Sanderson & Maye Taylor (2008): Celebrating families. Simple, practical ways to enhance family life. Stockport: HSA Press. Bestellung und weiteres Material über die Website „Celebrating families“.