PATH

von Stefan Doose

Was ist PATH?

PATH ist ein Planungsprozess mit einem Unterstützungskreis für Personen, die eine Vorstellung davon haben, wie ihre Situation in Zukunft sein soll, aber den Weg dorthin noch klären müssen. Der PATH-Prozess setzt an den gemeinsamen Werten und Visionen der planenden Person und ihres Unterstützungskreises an. Er zeichnet eine wünschenswerte Zukunft, beschreibt die gegenwärtige Situation und sucht dann Unterstützerinnen und Unterstützer sowie Stärkungsmöglichkeiten für den Weg, beschreibt wichtige Zwischenschritte und endet mit einem konkreten Aktionsplan für den nächsten Monat. Der PATH-Prozess kann sowohl für einzelne Personen, Familien, Projekte als auch für Organisationen genutzt werden.

PATH wurde von Jack Pearpoint, John O‘Brien und Marscha Forrest Anfang der 90er-Jahre in den USA entwickelt. PATH stand zunächst als Abkürzung für „Planning Alternatives Tomorrows with Hope“ – frei übersetzt „Ein anderes Morgen mit Hoffnung planen“, wird aber heute von Pearpoint, O‘Brien und Forrest  nur noch in der Kurzform benutzt. Das englische Wort „path“ bedeutet auch Weg. PATH umfasst acht Schritte, die auf einem großen Plakat grafisch festgehalten werden (nach O’Brien, Pearpoint, Kahn 2010):

Dieses Plakat erhalten Sie in DIN A4 in der Rechten Spalte.

Das Plakat zeigt die acht Schritte des Prozesses. Waagerecht ist ein großer Pfeil aufgezeichnet, in dem die Schritte 3 bis 8 notiert werden. Er endet in einem großen Kreis (Schritt 2), rechts oben ist ein Stern (1. Schritt), in den ebenfalls etwas hinei
Überblicksplakat zum PATH-Prozess nach O’Brien, Pearpoint, Kahn

Was sind die Schritte bei PATH?

Begrüßung und Vorstellung

Die Hauptperson oder eine vertraute Person eröffnet das Treffen, indem sie die Teilnehmenden des Unterstützungskreises herzlich begrüßt und kurz den Anlass und die Zielsetzung des PATH-Prozesses erläutert.
Jede Person im Unterstützungskreis stellt sich vor und sagt, wieso es ihr wichtig ist, heute dabei zu sein. Die Moderatorin bzw. der Moderator und die Person, die zeichnet, malt und schreibt, stellen sich vor und erläutern ihre Rolle und den Ablauf sowie die PATH-Gesprächsregeln.

1 Den Nordstern lokalisieren

Der persönliche Nordstern umschreibt das, was die Hauptperson im Leben leitet, ihre Werte, Ziele und Ideale. Das Bild vom Nordstern beschreibt einen Punkt der Orientierung, wie ihn Seefahrende, Entdeckerinnen und Entdecker nutzten, um auf rauer See oder in unübersichtlichem Gelände weiter in die richtige Richtung zu reisen.

Dieser Schritt ermöglicht dem Unterstützungskreis, zu sehen und zu hören, was der planenden Person im Leben wichtig ist. Wenn sie mit ihrer Erzählung fertig ist, wird herausgefiltert, was der Kern, das Allerwichtigste für sie ist.

Die Zeichnerin bzw. der Zeichner entwickelt nun gemeinsam mit der Hauptperson auf dem Plakat ein Bild für den Nordstern. Zum Abschluss dieser Phase bittet die Moderatorin bzw. der Moderator den Unterstützungskreis um eine wertschätzende Rückmeldung.

2 Die Vision von einer positiven, möglichen Zukunft erschaffen

Es geht in diesem Schritt darum, ein lebendiges Bild von den Möglichkeiten zu entwerfen, die der Unterstützungskreis zusammen mit der planenden Person in den nächsten ein bis zwei Jahren schaffen kann. Dazu reisen die Beteiligten mit einer Zeitmaschine ein bis zwei Jahre in die Zukunft. Beginnend und endend bei der planenden Person beschreiben sie im Präsens, welche positiven Veränderungen dank der harten Arbeit der Person und des Unterstützungskreises möglich geworden sind, was die jetzige Situation so befriedigend macht und was die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Schritte waren, um dorthin zu kommen.

Die Zeichnerin bzw. der Zeichner schreibt, malt und clustert zusammengehörige Schlüsselbegriffe und Bilder in den großen Kreis auf dem Plakat, der Platz in der Mitte bleibt frei. Nachdem verschiedene Möglichkeiten sichtbar geworden sind, bittet die Moderation die planende Person, zu sagen, welche Möglichkeiten ihr am lebendigsten erscheinen und am wichtigsten sind.

Die Zeichnerin bzw. der Zeichner und die Hauptperson arbeiten dann ein paar Minuten daran, ein passendes Bild zu erschaffen, welches den Kern der positiven Veränderungen widerspiegelt und in der Mitte des Kreises platziert wird.

3 Die Gegenwart beschreiben

Die Zeichnerin bzw. der Zeichner überschreibt die erste Spalte mit „Jetzt“ und dem Datum des Tages. Die Moderation fasst die Vision der gewünschten Zukunft kurz zusammen und fragt dann nach einer Skizzierung der Situation in der Gegenwart. Die planende Person beginnt, die anderen im Kreis helfen, weitere Details und wichtige Punkte hinzuzufügen. Es geht hier um eine schnelle Sammlung wichtiger Fakten. Die Zeichnerin bzw. der Zeichner malt jetzt keine detaillierten Bilder mehr, sondern listet einfach Punkte auf, die gegebenenfalls mit kleinen „Merkzeichnungen“ ergänzt werden.

Am Ende kann die planende Person gefragt werden, ob sie eine Metapher, ein Bild, für ihren jetzigen Zustand hat und die Spannung zwischen Gegenwart und gewünschter Zukunft spürt.

4 Unterstützer und Unterstützerinnen finden

Es kann keine Bewegung hin zu einer positiven Zukunft geben ohne das Engagement von Menschen. Nachdem der Unterstützungskreis den Nordstern der Person gesehen, die Vision einer positiven Zukunft erlebt und die Spannung zur jetzigen Situation gespürt hat, stellt sich nun die persönliche Frage, wer sich mit seinen Möglichkeiten aktiv am Erreichen der positiven Zukunft für die planende Person beteiligen will.

Nachdem die Hauptperson entschieden hat, ob sie den Plan verfolgen will und Mitglieder des Unterstützungskreises von der Moderation eingeladen wurden, an der Umsetzung mitzuwirken, tragen sich all diejenigen auf dem Plakat ein, die an der Verwirklichung des Zukunftsplanes teilhaben wollen. Außerdem werden weitere, nicht anwesende Personen identifiziert und aufgeschrieben, die zusätzlich eingeladen werden sollen, an diesem Prozess mitzuwirken. Ihre Mitwirkung sollte positiv sein und möglich erscheinen.

5 Stärke entwickeln

Der Weg zur Verwirklichung der positiven Zukunftsvision wird Kraft erfordern. Die planende Person und der Unterstützungskreis überlegen deshalb in diesem Schritt, wie sie sich stärken können. Über welche Kompetenzen, Ressourcen und Verbindungen verfügen sie bereits, welche müssen sie noch entwickeln? Dazu macht der Unterstützungskreis mithilfe des Plakats „Stärker werden“ (Link zu der Datei) ein kurzes Brainstorming, welche Kompetenzen und Ressourcen bereits vorhanden sind und was zusätzlich gebraucht wird. Es geht dabei um die Bereiche:

  • Menschen und Beziehungen: Wen kennen wir?
  • Organisationen, Vereine und Gruppen: Wo gehören wir dazu? Wo sind wir Mitglied?
  •  Know-how: Welche Informationen, Kenntnisse und Fertigkeiten haben wir?
  • Systeme: Was können die vorhandenen Systeme für uns tun? Welche Rechtsansprüche haben wir?
  • Persönliche Energie und Gesundheit: Was können wir persönlich tun, um fit zu bleiben und uns zu stärken?

Dies wird in Stichworten aufgeschrieben. Nach dem Brainstorming werden die zentralen Punkte ausgewählt und auf dem Plakat in der Spalte „Stärke entwickeln“ eingetragen.

6 Die wichtigsten Schritte herausfinden

Ziel dieses Schrittes ist es, zu überlegen, was nach etwa der Hälfte der Gesamtzeit erreicht sein sollte, um die Zukunftsvision zu verwirklichen. Dabei sollen die zwei oder drei großen Schritte identifiziert werden, die für den Erfolg entscheidend sind. Sie werden um jeweils zwei bis drei Unterpunkte ergänzt.

7 Die Arbeit des nächsten Monats organisieren

Der Monat nach dem ersten Treffen ist ein kritischer Zeitraum für die planende Person und den Unterstützungskreis. Es geht darum, erste detaillierte Absprachen unter den Beteiligten zu treffen, andere Personen mit einzubeziehen und Informationen einzuholen.

Beginnend mit der planenden Person, identifizieren die Anwesenden Ziele für den ersten Monat. Wenn einige Ziele herausgearbeitet sind, fragt die Moderation die planende Person, an welchem Ziel sie arbeiten möchte. Dann fragt sie, wer die Hauptperson dabei unterstützen kann. Die Zeichnerin bzw. der Zeichner schreibt das Ziel und daneben die Namen auf. Dann werden die Mitglieder des Unterstützungskreises gefragt, ob sie der Hauptperson anbieten können, an anderen Zielen mitzuarbeiten und ob sie dies mit jemand zusammen tun wollen. Angebote, die die Hauptperson angenommen hat, werden notiert. Es wird vereinbart, wie die Hauptperson über die Ergebnisse der Aktivitäten der Unterstützerinnen und Unterstützer informiert wird. Es kommt nicht auf die Menge der Ziele an. Zwei bis drei Ziele reichen gewöhnlich. Es sei denn, es gibt einen großen, aktiven Unterstützungskreis.

8 Sich auf die nächsten Schritte einigen

Ziel des letzten Schrittes ist es, Vereinbarungen zu treffen, damit die planende Person und der Unterstützungskreis sofort mit der Umsetzung des Zukunftsplanes starten können und beginnen, zusammenzuarbeiten.

Die Moderatorin bzw. der Moderator bittet nun alle im Unterstützungskreis, darüber nachzudenken, was sie in den nächsten 24 bis 72 Stunden tun können, um der Zukunftsvision einen kleinen Schritt näher zu kommen. Das kann etwas kleines Einfaches sein, zum Beispiel jemanden über das Planungstreffen informieren oder einen Kontakt herstellen. Die planende Person beginnt und sagt, was sie als nächstes tun möchte. Dann machen die anderen im Kreis ihre Angebote und die Person entscheidet, ob sie diese annehmen möchte. Die Aktionen werden auf dem Plakat in einer Tabelle „Was macht wer bis wann“ unter „Nächste Schritte“ notiert.

Abschluss

Die Moderatorin bzw. der Moderator bittet nun alle, sich den PATH noch einmal anzusehen und fragt nach einem Titel. Wenn ein passender Vorschlag kommt, der der Hauptperson gefällt, wird er von der Zeichnerin bzw. dem Zeichner über den PATH geschrieben.

Die Moderation bittet zum Abschluss alle Teilnehmenden des Unterstützungskreises, eine kurze wertschätzende Rückmeldung oder ein Gefühl zu dem PATH-Treffen zu äußern. Die Zeichnerin bzw. der Zeichner notiert diese Begriffe am unteren Rand des Plakates. Die Hauptperson hat ein kurzes Schlusswort.

Was erfordert PATH?

PATH ist ein intensives Planungsverfahren, das eine erfahrene Moderation und eine erfahrene Person, die zeichnet, malt und schreibt (graphic facilitator) erfordert. Die beiden sollten sich vorher ausführlich mit der Methode vertraut gemacht haben. Die Teilnehmenden des Unterstützungskreises sollten möglichst offen, wertschätzend und unterstützend sein.

PATH dauert mindestens zweieinhalb Stunden bis einen halben Tag.

Quelle und vertiefende Literatur zum Thema PATH

(in Englisch)

John O’Brien, Jack Pearpoint & Lynda Kahn (2010): The PATH & MAPS Handbook. Person-Centred Ways to Build Community. Toronto: Inclusion Press.

Weitere Literatur zum Thema

Ines Boban (2008): Bürgerzentrierte Zukunftsplanung in Unterstützerkreisen. Inklusiver Schlüssel zu Partizipation und Empowerment pur. In: Hinz, Andreas, Körner, Ingrid & Niehoff, Ulrich (Hrsg.): Von der Integration zur Inklusion. Grundlagen – Perspektiven – Praxis. Marburg: Lebenshilfe, S.230-247

Stefan Doose (2011): „I want my dream!“ Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven und Methoden einer personenzentrierten Planung mit Menschen mit Behinderungen. Broschüre mit Materialienteil. 9. überarbeitete Auflage Kassel: Mensch zuerst. Verfügbar auf der Website „Persönliche Zukunftsplanung“.

Susanne Göbel (2010): „Punkt, Punkt, Komma, Strich  – Ein Bild wird es sicherlich!“ Graphische Darstellung als wichtiges Element der Persönlichen Zukunftsplanung. Mainz.