Brief

Ludwig van Beethoven konnte immer weniger hören. Er vermied es, darüber zu sprechen und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Am 29. Juni 1801 schrieb Beethoven an seinen Freund Franz Gerhard Wegeler über den Verlust seines Hörvermögens:

 "nur hat der neidische Dämon, meine schlimme Gesundheit, mir einen schlechten Stein ins Brett geworfen nemlich: mein Gehör ist seit 3 Jahren immer schwächer geworden (…) mein gehör ward immer schlechter (…) mein Gehör blieb oder ward noch schlechter (…) nur meine ohren, die sausen und Brausen tag und Nacht fort; ich kann sagen, ich bringe mein Leben elend zu, seit 2 Jahren fast meide ich alle gesellschaften, weils mir nun nicht möglich ist, den Leuten zu sagen, ich bin Taub, hätte ich irgend ein anderes Fach, so giengs noch eher, aber in meinem Fach ist das ein schrecklicher Zustand, dabey meine Feinde, deren Anzahl nicht geringe ist, was würden diese hiezu sagen – um dir einen Begriff von dieser wunderbaren Taubheit zu geben, so sage ich dir, daß ich mich im Theater ganz dicht am Orchester <oder>gar anlehnen muß, um den schauspieler zu verstehen, die hohen Töne von Instrumenten singstimmen, wenn ich etwas weit weg bin höre ich nicht, im sprechen ist es zu Verwundern daß es Leute giebt die es niemals merkten, da ich meistens Zerstreuungen hatte, so hält man es dafür, manchmal auch hör ich den Redenden der leise spricht kaum, ja die Töne wohl, aber die worte nicht, und doch sobald jemand schreit, ist es mir unausstehlich, was es nun werden wird, das weiß der liebe Himmel, weringsagt, daß es gewiß besser werden wird, <obwohl ich es> wenn auch nicht ganz – ich habe schon oft den schöpfer und mein daseyn verflucht, Plutarch hat mich zu der Resignation geführt, ich will wenn's anders möglich ist, meinem schicksaal trozen, obschon es Augenblicke meines Lebens geben wird, wo ich das unglücklichste Geschöpf gottes seyn werde. Ich bitte dich von diesem meinen Zustand niemanden auch nicht einmal der Lorchen etwas zu sagen, nur als geheymniß vertraue ich dir's an, lieb wäre mirs, wenn du einmal mit Wering darüber Brief wechseltest, sollte mein Zustand fortdauren, so komme ich künftiges frühjahr zu dir, du miethe[s]t mir irgendwo in einer schönen Gegend ein Hauß auf dem Lande, und dann will ich ein halbes Jahr ein Bauer werden, vieleicht wird's dadurch geändert, resignation : welches elende." (1)

Quellen:
1: Ludwig van Beethoven: Briefwechsel. Gesamtausgabe, Bd. 1-7 (Hg.) Sieghard Brandenburg, Bd. 1-6: München 1996, Bd. 7 (Register): München 1998). Website des Beethovenhauses Bonn, Digitales Archiv, abgerufen am 21.09.2010
Website Klassika - Die deutschsprachigen Klassikseiten: Ludwig van Beethoven 1770-1827, abgerufen am 20.09.2010

Christian Mürner (2000): Verborgene Behinderungen. Der Komponist mit fortschreitender Schwerhörigkeit. Luchterhand: Neuwied; Berlin, S. 53-57
Lewis Lockwood (2009): Beethoven. Seine Musik, Sein Leben. Bärenreiter; Kassel