Behinderung, Krankheit und Euthanasie im Nationalsozialismus

Didaktisierung für die Pflegeausbildung: Karl D., der lernen musste, sein Leben zu verteidigen


(Andrea Zielke-Nadkarni, Märle Poser)
 
Schon kurze Zeit nach der Machtübernahme der Nazis beginnt die systematische Vorbereitung der Vernichtung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen: Im Januar 1934 tritt das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" in Kraft. Im Herbst 1939 unterschreibt Hitler eine Ermächtigung zur Euthanasie. Speziell ausgewählte Pflegende werden ab 1940 in die Tötungsabsichten eingeweiht und vertraglich zu Stillschweigen und Kooperation verpflichtet.

Viele professionell Pflegende kooperieren während des "Dritten Reiches" mit den Nazis. Dies geschieht zum Teil zunächst aus Unwissenheit und Obrigkeitsgläubigkeit. Hier die Aussage einer Pflegeperson vor Gericht:

"Auf den Gedanken, mich den getroffenen Anordnungen zu widersetzen, bin ich nicht gekommen, da ich davon überzeugt war, zur damaligen Zeit auf meinem Posten genauso seine Pflicht tun zu müssen, wie man sie von den Soldaten an der Front verlangte." (41)

Zum Teil kooperieren Pflegende aus Überzeugung und zum Teil aus sadistischem Vergnügen, das mit politischer Überzeugung getarnt wird. Historische, christlich begründete Werte der Krankenpflege, wie Dienen, Opfern, Gehorsam, Gutes tun, werden uminterpretiert. Das Dienen gilt dem Führer und dem Volk, Gutes tun beinhaltet nun auch Mord, da er als "Erlösung" für die Kranke oder den Kranken bzw. als Dienst an der Gesellschaft dargestellt wird. Nachweislich waren Pflegende an den folgenden Aufgaben beteiligt:

  1. Vorbereitung zum Abtransport, Richten und Auflisten der persönlichen Gegenstände; Kennzeichnung der Patientinnen und Patienten mittels Pflasterklebestreifen oder direkt auf die Haut, wobei mit Tintenstift zwischen die Schulterblätter Angaben zur Person geschrieben wurden, Entkleiden der Patientinnen und Patienten.
  2. Begleitung der Transporte zur Zwischen- oder Tötungsanstalt; während der Fahrt wurden unruhige Patientinnen und Patienten mit Fesseln oder Medikamenten "beruhigt".
  3. Begleitung der Patientinnen und Patienten in die Tötungsanstalten, Hilfe beim Entkleiden und der Vorführung bei Ärzten und Ärztinnen.
  4. Begleitung der Patientinnen und Patienten bis zur Gaskammer.
  5. Entgegennahme der persönlichen bzw. anstaltseigenen Sachen der Patientinnen und Patienten nach der Ermordung. (42)