"Man sieht nur, was man weiß" - NS-Verfolgte im Alter

(Christina Hilgendorff)

Anmerkung zu den Erzählungen

Die folgenden Texte sind aus Interviews entstanden, die ich 2006 und 2007 geführt habe. Begleitet von Vorbereitungsgesprächen, dauerten diese Interviews zwischen zwei und zwölf Stunden. Manchmal fanden mehrere Treffen statt. Immer gab es im Anschluss an das Interview weitere Gespräche ohne Mikrofon, am Telefon oder auch zuhause. Aus all diesem Material setzen sich die entstandenen Erzählungen zusammen. Auf Wunsch und in Absprache mit den Erzählenden sind die Texte anonymisiert worden. Zwei der Interviewpartnerinnen bzw. –partner stimmten einer Veröffentlichung nicht zu. Ängste, aber auch die wiederkehrende Intensität und Nähe der Erinnerung durch die Veröffentlichung waren groß und belasteten beide zu sehr.

Wenn wir Menschen über unser Leben erzählen, dann konstruieren wir aus all unseren Erfahrungen in diesem Moment eine Geschichte über uns. Unsere Erinnerung ist in Bewegung und erfährt immer wieder Änderungen in ihren inhaltlichen und zeitlichen Bezügen, in Sinn und Kontinuität von Erfahrungen. Deshalb sagen Erinnerungen nicht nur etwas darüber aus, wie Dinge gewesen sind, sondern vielmehr etwas darüber, wie Lebenserfahrungen und Themen heute wahrgenommen werden. Gerade das macht die Erzählungen der Verfolgten für die Pflegenden so wertvoll. Wenn man zuhört, kann man Wesentliches erfahren über den gewählten Umgang mit der schmerzhaften Vergangenheit und über die Bedürfnisse und Unterstützung, die Verfolgte sich vor diesem Hintergrund wünschen und brauchen. Die alten Frauen und Männer haben mich in den Gesprächen sehr berührt und beeindruckt. Ihre Geschichten sind geschrieben mit der Idee, dass durch die Auseinandersetzung mit ihnen ein respektvoller Umgang, der die Grenzen des alten Menschen wahrt, gestärkt wird.

Transkribierte (übertragene) Interviews sind nicht leicht zu lesen, und so habe ich zur besseren Lesbarkeit in den Zitaten Sätze umgestellt, Wiederholungen gestrichen und Gedankengänge zusammengeführt, die im Gespräch auseinanderflossen. Dabei habe ich versucht, den Charakter des jeweiligen Interviews zu wahren.