Mittelalter

(500 bis 1500 nach Beginn der Zeitrechnung)

Der Sachsenspiegel

Der Begriff Mittelalter bezeichnet in der europäischen Geschichte die Epoche zwischen Antike und Neuzeit. Im Laufe der rund zehn Jahrhunderte veränderten sich sowohl die Gesetze als auch die Haltungen der Menschen gegenüber Krankheit und Behinderungen sehr. Ganz unterschiedliche Gesetze und Haltungen zu verschiedenen Themen und Rechtsbereichen existierten nebeneinander. Der wichtigste überlieferte Rechtstext des Mittelalters im mitteleuropäischen Gebiet war der Sachsenspiegel. Das illustrierte Rechtsbuch basierte auf einer Mischung aus mythischen und religiösen Vorstellungen, enthielt aber auch praktische Alltagsregelungen. Der Sachsenspiegel erläuterte unter anderem, wer als handlungs-, rechts-, lebens- und erbfähig galt und wie dies zu beweisen war.

Gesundheit musste bewiesen werden

Am Anfang des Mittelalters mussten die Menschen ihre körperliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit häufig unter Beweis stellen. Behinderungen und Krankheiten galten als Strafe Gottes. Die Lebenssituation einiger Menschen verschlechterte sich dadurch verglichen mit früher, die Situation anderer verbesserte sich. So konnten Frauen mit Behinderungen den Vorwurf, vom Teufel besessen zu sein, manchmal schon dadurch entkräften, dass sie zur Kirche gingen. Männer, denen eine Krankheit nachgesagt wurde, konnten versuchen ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen, indem sie ohne Hilfe auf ein Pferd stiegen. Dramatisch war hingegen die Lage von Kindern, die eine Körperbehinderung hatten: Sie durften misshandelt oder auch getötet werden, da ihnen eine Nähe zum Teufel unterstellt wurde. Diese Vorstellung vertrat zum Beispiel der christliche Reformator Martin Luther, sogar noch zu Beginn der Neuzeit.

Fürsorge und Armenpflege

Die christlichen Kirchen gewannen im heutigen deutschsprachigen Gebiet immer mehr Einfluss. Dadurch änderte sich die Einstellung vieler Menschen zu Krankheiten und Behinderungen. Dies veränderte auch die Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen und die Rechtsprechung: Die Idee der sozialen Fürsorge und die gesetzlich geregelte sogenannte "Armenpflege" setzten sich im Laufe des Mittelalters zunehmend durch. Die ersten speziellen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen entstanden. Für bestimmte Personengruppen war es dennoch schwierig, aufgrund einer Behinderung ein gutes Leben zu führen: für arme Menschen, für Frauen und Kinder, für Menschen jüdischen Glaubens und andere. Ganz anders war die Situation für christliche Männer, die in Kriegen verwundet wurden, wie zum Beispiel Götz von Berlichingen, und für reiche, angesehene Männer wie Karl VI. Sie hatten größere Handlungsspielräume und mehr Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten.

Menschen mit Behinderungen als Jahrmarktsattraktion

In dieser Zeit entstand auch das Handwerk der Gaukler und Hofnarren. Menschen, die keiner anderen Arbeit nachgehen konnten, arbeiteten häufig in diesen Berufen. Menschen mit besonderen Körpern hatten häufig keine andere Möglichkeit Geld zu verdienen, als sich auf Jahrmärkten als sogenannte "Missgeburten" oder "Krüppel" zur Schau stellen zu lassen.