Planspiel: Rollenkarte Norwegische Regierungsdelegation

Phase 1

Julia Bertmann, 28.
"Ich komme gut klar, aber die Leute…
Mit meiner Behinderung komme ich gut klar, aber es gibt Leute, die nicht behindert sind, die sagen: Diese junge Frau tut mir leid, sie sieht so komisch aus. Was hat sie denn? Ist sie krank? Das sagen ihre Augen. Sie trauen sich nicht, das laut zu sagen, weil sie denken, sie ist doof und mit der spricht man nicht.
Eine Behinderung ist keine Krankheit. Wir Behinderte sind so geboren. Wir können nichts dazu. (…) Ich möchte so behandelt werden wie nichtbehinderte Menschen. Ich mag mich so wie ich bin. I am what I am. Ich lebe genau so wie nichtbehinderte Menschen." (1)

Allgemeine Informationen über euch

Ihr vertretet das Königreich Norwegen. Norwegen ist eine parlamentarische Monarchie in Nordeuropa. In Norwegen gibt es 4,8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Hauptstadt ist Oslo.

Kinder und junge Menschen unter 18 Jahren bilden 24% der Bevölkerung. Ihr legt großen Wert darauf, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche Zugang zu Bildung und anderen staatlichen Angeboten haben. Aber auch bei euch gibt es soziale Probleme und es gibt Kinder, die Gewalt oder Vernachlässigung erfahren. Diese Kinder haben weniger Möglichkeiten als andere Kinder und häufiger Schwierigkeiten in der Schule.

Euer Schwerpunkt bei den Verhandlungen:

Wichtig ist euch der Begriff "Universelles Design".
Mit universellem Design ist gemeint, dass Geräte, Umgebungen und Systeme derart gestaltet sein müssen, dass sie für so viele Menschen wie möglich ohne weitere Anpassung oder Spezialisierung nutzbar sind. Wenn das nicht möglich ist, müssen möglichst einfache zusätzliche Angebote für Menschen mit Behinderungen die Nutzung ermöglichen.

Beispiel für Universelles Design: Waschmaschine "Klassik":
Mit der Entwicklung der Waschmaschine "Klassik" wurde das Ziel verfolgt, die Wäschepflege für die Nutzer und Nuterinnen einfacher und komfortabler zu machen. Die Bedienelemente sind klar angeordnet, um eine einfache Handhabung zu gewährleisten. Die Waschmaschine zeichnet sich vor allem durch folgende Punkte aus:

  • Funktionen und Programme sind in großer Schrift auf der Bedienblende (die Prinzipien breite Nutzbarkeit und einfache und intuitive Benutzung werden erfüllt)
  • Leicht erkennbare Darstellung durch zweizeiliges Display (die Prinzipien breite Nutzbarkeit und einfache und intuitive Benutzung werden erfüllt)
  • Hinterleuchtete Anzeige (die Prinzipien breite Nutzbarkeit und einfache und intuitive Benutzung werden erfüllt)
  • Verringerte Komplexität: fünf wesentliche Waschprogramme stehen zur Auswahl (die Prinzipien breite Nutzbarkeit, einfache und intuitive Benutzung und Fehlertoleranz werden erfüllt)
  • Erhöhte Bauweise durch eingebauten Sockel, falls gewünscht (die Prinzipien Flexibilität in der Benutzung, niedriger körperlicher Aufwand und Größe und Platz für Zugang und Benutzung werden erfüllt)
  • Adaption der Bedienung durch blinde Nutzende möglich (die Prinzipien Flexibilität in der Benutzung und sensorisch wahrnehmbare Informationen werden erfüllt)
  • Möglichst optimale Handhabung der Maschine durch die Verwendung von gut bedienbaren Tasten und Drehschaltern (die Prinzipien breite Nutzbarkeit und einfache und intuitive Benutzung werden erfüllt)

Die Waschmaschinenreihe "Klassik" wurde 2009 mit dem "universal design award 09" sowie mit dem "universal consumer favorite 09" (  ) ausgezeichnet.

Eure Forderung an den Vertrag insgesamt: Eine Umwelt ohne Hindernisse und Barrieren für Menschen mit Behinderungen, gleich welcher Art und welchen Umfangs

Ihr seid der Meinung, dass individuelle Einschränkungen vor allem dann für die Einzelnen problematisch werden, wenn Hindernisse hinzukommen, die Zugänge versperren. Diese Hindernisse nennt ihr "Man-made-barriers": Von Menschen gemachte Barrieren. Diese scheinen Euch das eigentliche Problem zu sein und gleichzeitig eine technisch lösbare Aufgabe darzustellen.

Die Abschaffung von "Man-made-barriers" meint beispielsweise: nichts versperrt mehr Zugänge, es gibt keine Bordsteine, die Sprache ist überall leicht, die Nachrichten sind zum Beispiel auch in Gebärdensprache, es gibt überall auch Beschriftungen in Blindenschrift, also zum Beispiel im Aufzug oder Bus oder Flugzeug oder im Supermarkt.

Forderung nach Universellem Design meint beispielsweise: Gebäude, Produkte, Straßen oder Dienstleistungen, zum Beispiel im Rathaus, sind auf der ganzen Welt so gestaltet, dass sie ohne besondere Hilfe oder spezielle Anpassung von allen Menschen genutzt werden können.

Tipp: Schreibt diese Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird sie in der Verhandlung zwei Minuten lang vorstellen. Sprecht euch in eurer Gruppe gut ab, denn ihr sollt ein einheitliches Bild nach außen abgeben. Macht euch durch euer Gruppenemblem erkennbar. In der Gruppe dürft ihr so viel diskutieren, wie ihr wollt. Ihr könnt dabei eure Rolle auch ausschmücken, mit eigenen Argumenten und Ideen bereichern oder etwas dazu erfinden. Beachtet aber bitte, dass ihr euch nicht zu weit von den Anregungen auf der Rollenkarte entfernt.

Beachtet bitte, dass das Recht auf Bildung in dieser Phase noch nicht im Mittelpunkt steht!

Phase 2

Haydee Beckles aus Panama:
"Ich habe meine Schulausbildung in einer Regelschule begonnen, aber ich war sehr langsam und schlief auf meinem Stuhl ein, daher hat der Lehrer gesagt, dass ich auf eine spezielle Schule gehen müsse. Sie haben mich auf eine Sonderschule geschickt. In dieser Schule haben sie kein Englisch gesprochen, nur Spanisch, und so musste ich Spanisch lernen. Dies war nicht meine Muttersprache, weil wir zu Hause Englisch gesprochen haben. Ich habe mich also angepasst und lebte von da an in zwei Welten. Zum einen im Sonderschulsystem, dort haben sie nur wenig von mir erwartet, also tat ich das Wenige. Zum anderen war ich zu Hause, meine Mutter und mein Vater haben mich in alles inkludiert, also einbezogen. Sie haben mich gelehrt, die Dinge auf meine eigene Weise zu tun. Ich habe gelernt meine Hausaufgaben langsam zu machen, mit all meinen Geschwistern. Ich habe gelernt, Diktate zu schreiben, Rechtschreibung zu üben und im Wörterbuch nachzuschlagen, mein Zimmer aufzuräumen und den Abwasch zu machen ohne etwas kaputt zu machen. Auf diese Weise habe ich gelernt, selbständig in der Gemeinschaft, gemeinsam mit allen anderen, zu leben. Mit meinem heutigen Verständnis sehe ich, dass meine Entwicklung besser verlaufen wäre, wenn ich in einer Regelschule unterrichtet worden wäre. Ich bin aus Panama hergekommen, um Sie alle zu bitten, anderen Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, in eine Schule für Alle zu gehen, in ihrer Gemeinde." ( )

Eure Forderungen zum Recht auf Bildung: Es muss Schulen geben für alle Kinder, aber nicht zwingend eine Schule für alle

Als Vertreter und Vertreterinnen der norwegischen Regierungsdelegation ist euch wichtig, dass Bildung nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch kleine Kinder, erwachsene und alte Menschen zugänglich sein muss. Für euch ist ein lebenslanges Lernen sehr wichtig. Zudem wollt ihr, dass alle Bildungseinrichtungen entsprechend des universellen Designs umgestaltet werden müssen. Wenn dies nicht möglich ist, haltet ihr aber auch speziell umgebaute Schulen für eine Möglichkeit, das Recht auf Bildung zu verwirklichen. Wichtig ist euch, dass überhaupt gut ausgestattete Bildungseinrichtungen und gut ausgebildetes Personal vorhanden sind.

Tipp: Auch in Phase 2 dürft ihr wieder kreativ die Argumente und Forderungen ausschmücken und etwas dazu erfinden. Wichtig ist nur, dass ihr euch nicht zu weit von den Inhalten auf der Rollenkarte entfernt.

Schreibt eure Positionen in Stichpunkten auf ein Flipchart oder an die Tafel. Eure Sprecherin oder euer Sprecher wird diese wieder der Versammlung vorstellen. Denkt daran, dass in Phase 2 auch jemand anders für eure Gruppe sprechen kann als in Phase 1. Für die Vorstellung in der Versammlung habt ihr wieder zwei Minuten Zeit. Dann folgt eine Diskussion. Bereitet euch gut vor und bedenkt, dass ihr euch auch von anderen überzeugen lassen dürft und natürlich versuchen sollt, andere zu überzeugen. Die Ergebnisse der Diskussion sind offen. Wichtig ist nur, dass es am Ende eine Einigung gibt. Also seid diplomatisch.

Wenn andere Verhandlungsteilnehmende euch ablenken oder andere Menschen mit Behinderungen in den Vordergrund stellen als ihr, könnt ihr dies verstehen und auch annehmen. Euch ist aber trotzdem wichtig, eure inhaltlichen Schwerpunkte zu betonen und darüber zu verhandeln.

Übersicht über die anderen Gruppen

Damit ihr einschätzen könnt, was in den Verhandlungen auf euch zukommt, hier eine kurze Übersicht darüber, was die anderen Gruppen fordern. Überlegt in eurer Gruppe, wie ihr zu diesen Forderungen steht, ob ihr sie gut findet oder ablehnt. Bereitet euch damit auf die kommende Verhandlung vor.

Die Afrikanische Union fordert die besondere Förderung der Rechte von Mädchen und Frauen mit Behinderungen, auch in der Bildung und für eine Schule für Alle.

Australien möchte, dass jedes Kind in eine Schule für Alle geht, die wohnortnah ist und in die auch die Nachbarskinder gehen.

Brasilien findet, dass Bildung gemeinsam in einer Schule stattfinden soll, weil sich dadurch die Einstellung von Menschen ohne Behinderung gegenüber Menschen mit Behinderungen positiv verändern kann.

China möchte die Förderung der Armutsbekämpfung ausweiten und verschiedene Schulformen ermöglichen: Es muss der chinesischen Delegation zufolge für jedes Kind eine Schule geben, aber nicht unbedingt eine Schule für Alle.

Die Europäische Union möchte Chancengleichheit durch Bildung ermöglichen. Ihre Mitglieder sind sich nicht ganz einig, was genau das für das Schulsystem heißt.

Inclusion International fordert eine Schule für Alle, denn nur eine Schule für Alle kann die Kreativität und Begabungen von allen Kindern fördern.

Das Internationale Bündnis von Menschen mit Behinderungen fordert eine Schule für Alle und die Einführung von Brailleschrift, Leichter Sprache und Gebärdensprache als Fremdsprachen.

Japan legt besonders viel Wert auf eine kostenlose Bildung für jedes Kind. Das Schulsystem mit unterschiedlichen Schulformen sollte beibehalten werden.

Kanada ist der Meinung, dass Bildung unbedingt der Würde der Kinder gerecht werden muss und dass dies nur in einer Schule für Alle geschehen kann.

Norwegen legt großen Wert auf Lebenslanges Lernen, also Bildung für alt und jung. Norwegen hat keine klaren Vorstellungen darüber, ob es in Zukunft eine Schule für Alle oder verschiedene Schulformen geben sollte.

Die Weltorganisation gehörloser Menschen, die Weltorganisation für gehörloseblinde Menschen und die Weltorganisation für blinde Menschen sind sich einig, dass es verschiedene Schulformen geben muss. Aus ihrer Sicht ist die Forderung nach einer Schule für Alle nicht angemessen für Menschen, die blind, gehörlos oder gehörlosblind sind.


Quellen:
1: Julia Fischer, Anne Ott, Fabian Schwarz (Hg.) 2010: Mehr vom Leben. Frauen und Männer mit Behinderung erzählen. Balance Buch, Bonn, S. 266.
2: S. 138 Originalstatement aus den Dokumenten von Inclusion International, übersetzt vom Deutschen Institut für Menschenrechte