Moderation

Wie können Zukunftsplanungstreffen und Unterstützungskreise moderiert werden? (1)

Stefan Doose hat die Praxis der Persönlichen Zukunftskonferenz nach Deutschland gebracht. Er vermittelt Hintergründe und gibt Tipps, wie auch Anfängerinnen und Anfänger diese Treffen gut moderieren können.

Die Moderation von Persönlichen Zukunftsplanungstreffen (2) ist eine schöne, aber am Anfang für viele nicht ganz einfache Aufgabe. Es gibt mittlerweile Literatur und Seminare zur Moderation von Gruppen (3), am besten ist es jedoch, die Moderation abwechselnd zusammen mit anderen Menschen auszuprobieren und sich gegenseitig zu unterstützen und Hilfestellung zu geben. Die Teilnehmenden sollten dabei regelmäßig gefragt werden, ob sie die Moderation für das Planungstreffen hilfreich fanden. Die andere Schlüsselqualifikation, die neben Kenntnissen in der Moderation von Gruppen für Persönliche Zukunftsplanung sinnvoll ist, ist die Kenntnis von Problemlösungstechniken (4). Denn Persönliche Zukunftsplanung ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein kontinuierlicher Problemlösungsprozess.

Moderation am besten zu zweit

Es hat sich als sinnvoll erwiesen, wenn bei Persönlichen Zukunftsplanungstreffen eine Person im Kreise die Moderation übernimmt und eine andere die Ergebnisse auf Plakaten - möglichst bildlich - festhält. Der Moderator bzw. die Moderatorin sollte in der Moderation von Gruppen erfahren sein. Die Moderation ist eine neutrale Rolle, deshalb sollte sie nicht von einer stark beteiligten Person übernommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass diese wichtige Person (zum Beispiel ein Elternteil, Bezugsbetreuerin, Bezugsbetreuer, Lehrerin oder Lehrer) eine doppelte Rolle einnimmt - als Moderation und als wichtige inhaltlich Mitgestaltende.

Aufgaben der Moderation eines Persönlichen Zukunftsplanungstreffens

  • Ruhige, freundliche, positive Atmosphäre schaffen,
  • Ziel des Treffens erklären und im Blick behalten,
  • Stärken, Fähigkeiten, Möglichkeiten betonen,
  • verdeutlichen, dass es um die Zukunft und nicht die Vergangenheit geht,
  • guten, flexiblen Platz einnehmen,
  • richtiges Timing,
  • erst zuhören - dann aufschreiben und aufzeichnen lassen („4 Sekunden-Regel“),
  • die planende Person entscheidet, ob etwas aufgeschrieben werden soll,
  • Themen herauskristallisieren, Prioritäten erfragen,
  • Beteiligung aller sicherstellen,
  • Beiträge von Teilnehmenden nicht bewerten,
  • sich keine der geäußerten Meinungen zu eigen machen,
  • verschiedene Perspektiven deutlich machen,
  • den konstruktiven Gehalt erkennen, Dinge positiv und konstruktiv (um)formulieren (reframing),
  • Nachfragen, ob die planende Person oder andere dieselbe Sichtweise haben,
  • Bei Bedarf Platz für später zu Behandelndes schaffen (Ängste/Befürchtungen, „Joker“ -freies Plakat, welches zum Festhalten von auftauchenden, anderen Themen flexibel genutzt werden kann -, „Nicht vergessen“).

Hilfreiche Fragen für die Moderation

Gute Fragen können bei der Moderation eines Zukunftsplanungstreffens helfen. Dazu werden ganz normale gute Moderationstechniken angewandt, die auch in vielen anderen Bereichen genutzt werden.

Die große Leitfrage (5)

Oft steht ein Persönliches Zukunftsplanungstreffen unter einer oder mehreren großen Leitfragen. Sie fassen das Anliegen der Persönlichen Zukunftsplanung zusammen. Gute Fragen erkennt man oft daran, dass sie nicht einfach oder gar schnell zu beantworten sind, sondern uns als große Leitfrage durch den Planungsprozess begleiten. Sie drücken die Sehnsucht aus, die den Planungsprozess antreibt. Leitfragen können zum Beispiel sein:

  • Wie kann die Person herausfinden, was ihre Stärken und Fähigkeiten sind und was sie aus ihrem Leben machen will?
  • Wie kann die Person eine Arbeitsstelle in einer Firma finden, in der sie ihre Fähigkeiten und Interessen einbringen kann und geschätzt wird? Welche Personen müssen sie dazu kennenlernen und was muss sie (und müssen die anderen) dazu lernen?
  • Wie und wo kann die Person mit mehr Leuten in Kontakt kommen, vielfältigere und tiefere Beziehungen zu anderen Menschen knüpfen und ihre Talente und Fähigkeiten in die Gemeinschaft einbringen?
  • Wie kann das Kind wieder eine Familie haben, in der es leben kann und die gut in die Gemeinde eingebunden ist?
  • Wie kann das Leben der Person nach dem Auszug aus dem Elternhaus aussehen? Wie und mit wem möchte sie wohnen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen?
Visuelle und verbale Leitfragen

Der Persönliche Zukunftsplanungsprozess orientiert sich an Leitfragen, die für alle sichtbar auf Plakate gemalt werden und zur Strukturierung des Treffens dienen. Leitfragen können zum Beispiel die bereits erwähnten Fragen sein:

  • Was sind die Stärken und Fähigkeiten der Person?
  • Was mag sie? Was nicht?
  • Was sind ihre Ziele und Träume in den Bereichen Wohnen, Freizeit, Arbeit?
  • Welche Vorerfahrungen hat die Person? (zum Beispiel bisherige Freizeitaktivitäten, berufliche Erfahrungen)
  • Was ist gut für die Person? Was nicht? Welche Rahmenbedingungen braucht sie, um erfolgreich zu sein?
  • Welche Ideen und Möglichkeiten fallen uns ein? (je nach Thema zum Beispiel mögliche Jobs, Wohnmöglichkeiten, Freizeitaktivitäten)
  • Ressourcen: An wen kann sich die Person, an wen kann sich der Unterstützungskreis wenden? Wer kann helfen? Wen kennen wir? Welche Mittel stehen zur Verfügung?
  • Aktionsplan: Was sind die nächsten Schritte? Wer macht was mit wem bis wann?
Prozessfragen

Während des Planungsprozesses kann es wichtig sein, den Prozess durch Fragen zu steuern:

Einstieg

  • Wissen alle, was ein Persönliches Zukunftsplanungstreffen ist?
  • Wie ist der Kenntnisstand der Anwesenden bezüglich des Themas, das die Hauptperson gerne planen möchte?

Ziele und Themen für das Planungstreffen vereinbaren, ggf. Prioritäten setzen und Vorgehen klären

  • Was ist das Ziel dieses Planungstreffens?
  • Worüber soll heute gesprochen werden?
  • Was ist für unser Treffen heute (besonders) wichtig? Welche Themen sollten vorrangig bearbeitet werden?
  • Womit wollen wir beginnen?

Themen bearbeiten, Ideen sammeln – Probleme lösen

  • Welche Möglichkeiten könnte es für die Problemlösung geben?
  • Wie würden diese konkret aussehen? Wie würde das sein?
  • Welche Rahmenbedingungen sind wichtig, damit die Probleme erfolgreich gelöst werden können?
  • Welche Hindernisse könnten dabei auftreten? Was können wir dagegen tun?

Auf Kurs halten – Zielverfolgung überprüfen und die Zeit im Blick haben

  • „Entschuldigung, darf ich mal klären, ob wir noch auf Zielkurs sind?“
  • „Sind wir noch beim Thema?“
  • „Sollten wir dazu diesen Punkt vertiefen oder eher nicht?“
  • „Hat noch jemand einen ganz wichtigen Punkt zu diesem Thema? Wir sollten sonst angesichts der Zeit jetzt zum nächsten Thema wechseln.“

Andere einbeziehen – Fragen zurückgeben

  • „Was meinen die anderen? Wäre das...“
  • „Was meinen Sie dazu? Was meint die Hauptperson dazu?“

Aktionsplan festlegen

  • Was werden wir nun ganz konkret tun?
  • Wer macht was mit welcher Zielsetzung?
  • Wer behält die Umsetzung unserer Planung im Blick?

Planungstreffen abschließen

  • „Wie zufrieden sind Sie mit diesem Treffen?“
  • „Sind wir heute unserem Ziel näher gekommen?“
  • „Soll sich die Planungsgruppe noch einmal treffen?“

Persönliche Zukunftsplanung ist systemisch betrachtet ein Instrument zur Veränderung des Systems einer Person. Veränderungsimpulse können aber im wahrsten Sinne des Wortes Dynamik in das System bringen. Das bisherige eingespielte System wird in Frage gestellt und zunächst vielleicht aus dem Gleichgewicht gebracht.

Widerstände

Die gewünschten Veränderungen können beispielsweise neue Regeln erfordern, die Beteiligten müssen eventuell neue Rollen einnehmen, was auch eine Verschiebung von Machtverhältnissen nach sich ziehen kann. Solche Veränderungen können positive Dynamiken, aber auch Befürchtungen, Ängste und Widerstände auslösen, die im Zukunftsplanungstreffen deutlich werden. Im Laufe eines Planungsprozesses kann es also immer wieder vorkommen, dass einige Teilnehmende blockieren und dass negative Äußerungen und sogenannte Killerphrasen wie „Das schaffst du nicht“ oder „Dafür ist keine Zeit da“ den Planungsprozess erschweren. Es kann dabei zum Beispiel zu Abwertung oder Bevormundungen der planenden Person kommen, einige Teilnehmende sind vielleicht übergriffig. Nicht-wahrhaben-wollen oder Nicht-zulassen-können sind ebenfalls Haltungen, die im Laufe eines Zukunftsplanungstreffens auftreten können. Teilnehmende können auch die Inhalte der Zukunftsplanung der Hauptperson ablehnen oder offenen Widerstand dagegen zeigen. Dies führt oft zu einer „Abwärtsspirale der Unmöglichkeiten“, in der der Fokus auf die Defizite der Person, auf ihre Behinderung, auf das, was schon einmal schief gelaufen ist oder auf Unmögliches gelegt wird, und die wie ein Strudel alle Beteiligten nach unten zieht.

Die Ursachen für diese negative Dynamik können vielfältig sein: Oft sind es Befürchtungen, dass die planende Person mit der Zukunftsplanung nicht erfolgreich sein könnte. Die Angst vor Verletzungen, aber auch das Deutlichwerden von Grenzen können Widerstände auslösen. Die Beziehung der planenden Person zu einzelnen Teilnehmenden ist vielleicht ambivalent, von Abhängigkeiten bestimmt oder stark hierarchisch geprägt. Personen im Unterstützerkreis, zum Beispiel Betreuerinnen, Betreuer oder Eltern können aber auch ihre eigenen Interessen gefährdet sehen oder einen Machtverlust befürchten.

Zukunftsvisionen werden sichtbar

Viel häufiger aber löst eine Zukunftsplanung positive Dynamiken aus: Das Selbstvertrauen der planenden Person wird durch positive Rückmeldungen gestärkt. Es wird eine wünschenswerte, attraktive Zukunftsvision sichtbar. Der Blick weitet sich, die Teilnehmenden bringen verschiedene Ideen zusammen. Das Puzzle fügt sich zusammen, neue Lösungsmöglichkeiten entstehen. Es gibt eine gute Arbeitsteilung im Unterstützungskreis. Niemand hat mehr das Gefühl, alles alleine zu tun. Es gibt eine gegenseitige Wertschätzung. Eine bessere Abstimmung und Vernetzung wird möglich. Erste Erfolge werden erzielt und motivieren zur Weiterarbeit. - Diese positive Dynamik gilt es in der Moderation von Unterstützungskreisen zu fördern und zu nutzen.

Dennoch kann es sein, dass man sich als Moderatorin bzw. Moderator darüber Gedanken machen muss, wie man auch negative Dynamiken auffangen und damit umgehen kann. Die Moderatorin bzw. der Moderator eines Unterstützungskreises sollte bereits im Vorfeld mögliche „Tretminen“ oder Fettnäpfe, aber auch konsensfähige Punkte und mögliche Fürsprechende im Unterstützungskreis erkunden. Alle Perspektiven sollten erst einmal gleichberechtigt ernst genommen und es sollte den Teilnehmenden unterstellt werden, dass sie an einer lebenswerten Zukunft der planenden Person interessiert sind und ihren Beitrag dazu leisten wollen.

Dies steht nicht im Widerspruch zu einer grundsätzlichen Parteilichkeit der Moderatorin bzw. des Moderators gegenüber der planenden Person. Ihre bzw. seine Aufgabe ist es auch, Übergriffe, Abwertungen oder Beleidigungen zu stoppen und Grenzen zu ziehen. Wichtig ist aber, die verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Befürchtungen und Widerstände weisen oft auf Punkte hin, die bearbeitet werden müssen, um die Zukunftspläne der planenden Person erfolgreich umsetzen zu können. Es ist in diesen Fällen sinnvoll, auf das gemeinsam vereinbarte Ziel des Planungstreffens zurückzukommen. Befürchtungen sollten als Befürchtungen einzelner Personen betrachtet, Lösungsvorschläge erkundet und mit Gegenfragen bewusst andere Perspektiven erfragt werden. Ein zusätzliches Plakat kann Befürchtungen und Ängste einer Person als deren Ängste festhalten oder Punkte auflisten, die nicht in diesem Zukunftsplanungstreffen behandelt werden, aber auch nicht in Vergessenheit geraten sollen. Dies schafft manchmal wieder Raum, um sich auf das Ziel des Zukunftsplanungstreffens zu konzentrieren.

Gesprächssackgassen und „Killerphrasen“ auflösen

Die folgenden Fragetechniken können eine Hilfe sein, um Blockaden und „Killerphrasen“ aufzulösen:

Blockaden auflösen

  • „Das geht nicht!“
  • „Was genau geht Ihrer Meinung nach nicht?“
  • „Unter welchen Umständen würde es gehen?“
  • „Und wenn es gehen müsste, was müssten wir tun?“
  • „Das ist unmöglich!“
  • „Was ist unmöglich?“
  • „Was macht Sie da so sicher?“
  • „Unter welchen Umständen wäre es möglich?“
  •  „Das kann ich nicht!“
  • „Was können Sie nicht?“
  • „Was bräuchten Sie, damit Sie es können?“
  • „Was würde Ihnen dabei helfen?“

Unspezifische Begriffe konkretisieren

  •  „Er muss noch viel selbstständiger werden!“
  • „Was meinen Sie genau mit selbstständig werden?“
  • „Über welche Dinge würden Sie sich freuen, wenn ... sie selbst erledigen könnte?“
  • „Was würde ihm/ihr Ihrer Meinung nach dabei helfen, diese Dinge selbst zu tun?“

Verallgemeinerungen relativieren

„Sie kommt doch immer zu spät!“

  • „Wann haben Sie das das letzte Mal beobachtet?“ (Konkretisierung)
  • „Gibt es Situationen, in denen sie/er pünktlich kommt?“ (Gegenbeispiele erfragen)
  • „Heute war er/sie aber pünktlich.“ (offensichtliche Gegenbeispiele nennen)
  • „Wie schätzen Sie das selber ein?“ (bei der betreffenden Person nachfragen)
  • „Wovon hängt es ab, ob Sie pünktlich sind?“ (Bedingungen erkunden)

Implizite Annahmen überprüfen

„Mit der Behinderung ist das doch undenkbar!“

  •  „Wie kommen Sie zu der Annahme?“
  • „Hat jemand eine Idee, wie es doch gehen könnte?“
  • „Kennt jemand Beispiele von Menschen mit einer ähnlichen Behinderung, die es geschafft haben?“
  • „Wie können wir überprüfen, dass bzw. ob es wirklich nicht geht?“

Vergleiche konkretisieren

„Das ist doch genau dasselbe wie damals in der Schule“

  • „Was meinen Sie damit genau?“
  • „Welche Punkte sind vergleichbar?“ - „Welche nicht?“
  • „Handelt es sich wirklich um vergleichbare Situationen oder Dinge?“ - „Was ist gleich?“ - „Was ist anders?“

Den positiven Gehalt der Äußerung erkennen (Reframing)

„Da er immer seine Medikamente vergisst, kann er nicht alleine wohnen!“

  • „Sie wollen, dass es Ihrem Sohn gesundheitlich gut geht. Das kann ich gut nachvollziehen.“
  • „Wie könnten wir auch in einer eigenen Wohnung sicherstellen, dass er auf jeden Fall die notwendigen Medikamente nimmt?“

Grundhaltung der Moderation und der Unterstützenden

Die Moderation von Persönlichen Zukunftsplanungstreffen und Unterstützungskreisen benötigt nach John O’Brien besonders geschulte Augen, Ohren und Münder:

Augen für Fähigkeiten und Möglichkeiten

Blicke können ermuntern, erniedrigen oder sogar vernichten. Es hängt viel davon ab, wie mich andere wahrnehmen, wer ich in ihren Augen bin: Sehen sie mich als einzigartige Person mit meinen Stärken und Fähigkeiten oder können sie an mir nur meine Behinderung und meine Defizite wahrnehmen? Die Moderatorin bzw. der Moderator und der Unterstützungskreis haben in der Persönlichen Zukunftsplanung die Aufgabe, die Blicke auf die Stärken und Fähigkeiten der Person zu lenken.

Auch im übertragenen Sinne können viele Menschen vielleicht nur die Barrieren und Hindernisse sehen, sodass es die Aufgabe der Moderation und der Unterstützenden ist, den Blick auf die Möglichkeiten und Problemlösungen zu fokussieren. Das bedeutet nicht, reale Schwächen und Barrieren zu übersehen, aber gerade bei diesen Punkten den geschärften Blick für Stärken und Möglichkeiten zu behalten.

Ohren zum aktiven und einfühlsamen Zuhören

Es gibt unterschiedliche Arten zuzuhören. Man kann nicht richtig hinhören, nicht hören wollen oder von oben herab als Expertin bzw. Experte zuhören. Menschen mit Behinderungen und ihre Eltern berichten oft, dass ihnen nicht richtig zugehört wird oder Expertinnen bzw. Experten von oben herab und nur im Hinblick auf ihre eigene Fragestellung zuhören. Die unterstützte Arbeitnehmerin Mary Grant hat dies einmal so ausgedrückt: „Fachleute hören, aber sie verstehen nicht (…). Sie wollen dich in die Vorstellungen einpassen, die sie in der Schule gelernt haben.“ (6)

Man kann aber auch mit dem ganzen Körper geduldig zuhören, aufmerksam zugeneigt sein und ein wirklich offenes Ohr haben. Wir haben sicherlich selbst schon einmal erfahren, wie die Art, wie uns jemand zugehört hat, es uns leicht gemacht hat, zu sprechen und wie wir auf einmal Dinge sagen konnten, die uns selbst erstaunt haben. (7) Dieses „öffnende“ Zuhören ermutigt Menschen, Wünsche, Träume, Gedanken, aber auch Befürchtungen und Albträume zu äußern, die sonst nie über ihre Lippen gekommen wären. Jeder Mensch hat andere Menschen verdient, die ihm zuhören und ihn verstehen. Die Moderation und die Unterstützenden in der Persönlichen Zukunftsplanung sollten aufmerksam und geduldig zuhören, auf Zwischentöne achten und der Hauptperson Gehör verschaffen. Dies gilt besonders für Menschen, die sich nur schwer ausdrücken können oder sich mit Hilfsmitteln der Unterstützten Kommunikation verständigen, was oft sehr viel länger dauert.

Mund für eine wertschätzende und für alle verständliche Sprache

Pädagoginnen, Pädagogen und andere Fachleute sprechen oft eine Sprache, die Menschen mit Behinderungen, Eltern und andere Menschen außerhalb dieses Feldes nicht verstehen. Sie nutzen Fachwörter, Fremdwörter und Abkürzungen und setzen diese als allgemein verständlich voraus. Eine einfache oder sogar Leichte Sprache, Beispiele und Bilder erleichtern allen Zuhörenden das Verstehen. Viele Einrichtungen der Behindertenhilfe haben aber Informationsblätter, die sich sprachlich eher an andere Pädagoginnen und Pädagogen als an die Zielgruppe Menschen mit Lernschwierigkeiten und deren Familien richten. Wenige Einrichtungen bitten Menschen mit Lernschwierigkeiten als Expertinnen und Experten für Leichte Sprache um das Gegenlesen ihrer Texte. Die „People First“-Bewegung hat ein „Wörterbuch für Leichte Sprache“ (8) mit hilfreichen Tipps zur Verwendung von Leichter Sprache herausgebracht.

Die Moderation und die Unterstützenden sollten darauf achten, dass eine für alle Beteiligten verständliche Sprache verwendet wird und ggf. andere Beteiligte daran erinnern oder Abkürzungen und Fachbegriffe noch einmal für alle erläutern. Bewährt hat sich ein rotes Schild „Stopp - bitte Leichte Sprache“, das sich auch in dem Wörterbuch befindet und von allen Beteiligten, besonders aber der Hauptperson, hochgehalten werden kann, wenn ein Wort unverständlich ist. Die Illustration des Zukunftsplanes mit einfachen Zeichnungen durch eine weitere Person, die die Ergebnisse der Planung für alle sichtbar festhält, oder die Verwendung von Bildern und Clip-Arts erhöhen oft die Verständlichkeit und Einprägsamkeit der Ergebnisse für alle Beteiligten.

Worte können nicht nur unverständlich sein, sie können auch verletzen und diskriminieren. Die Moderation sollte darauf achten, dass in einer positiven, wertschätzenden Weise miteinander gesprochen wird und niemand beschimpft, beleidigt oder mit negativen und abschätzigen Worten beschrieben wird.

Persönliche Zukunftsplanung benötigt also den Blick für Fähigkeiten und Möglichkeiten, gutes, aktives Zuhören und eine für alle verständliche, positive Sprache. Sie basiert auf gegenseitiger Wertschätzung, gleichberechtigter Begegnung auf Augenhöhe, guten Fragen, der Suche nach Möglichkeiten, kraftvollen Visionen, gemeinsamer Problemlösung und konkreten Aktivitäten zu einer gleichberechtigten Teilhabe aller. Dies führt zu einer Veränderung der Rollen der Professionellen, der Einrichtungen und Dienste und der Behindertenhilfe insgesamt.

Quellenangaben

(1)  Dieser Artikel ist erschienen Stefan Doose: Moderation. Wie können Zukunftsplanungstreffen und Unterstützungskreise moderiert werden? In: Orientierung (2008), H.1, 31-35.

(2)  Dieser Artikel basiert auf Doose 2004, S. 35 ff., zur Vorbereitung und Durchführung von persönlichen Zukunftsplanungsteffen s. auch Doose, Emrich, Göbel 2004

(3)  siehe z. B. Klebert, Schrader, Straub 2003, Seifert 2006, 2007

(4)  siehe z. B. Bugdahl 1995, Sellnow 2004, Nöllke 2006, De Bono 1989

(5)  Die Fragen orientieren sich an dem empfehlenswerten Buch von Josef W. Seifert: Moderation und Kommunikation (Seifert 2006)

(6)  Brooke 1992, 24

(7)  Michael Ende hat dies in „Momo“ (1973, 14 ff.) schön dargestellt.

(8)  Mensch zuerst 2004

Literatur

Edward de Bono (1989): Laterales Denken. Ein Kurs zur Erschließung ihrer Kreativitätsreserven, Düsseldorf

Valerie Brooke, Michael Barcus, Katharin Inge (Hrsg.) (1992): Consumer advocacy and Supported Employment: A vision for the future. Virginia USA: Virginia Commonwealth University

Volker Bugdahl (1995): Kreatives Problemlösen im Unterricht. Frankfurt am Main: Cornelsen Scriptor.

Stefan Doose (2011): „I want my dream!“ Persönliche Zukunftsplanung. Neue Perspektiven einer personenzentrierten Planung mit Menschen mit Behinderungen. Broschüre mit Materialteil. 9. überarbeitete Auflage Kassel: Mensch zuerst.

Stefan Doose, Carolin Emrich, Susanne Göbel (2004): Käpt’n Life und seine Crew. Ein Planungsbuch zur Persönlichen Zukunftsplanung. Zeichnungen von Tanay Oral. Kassel: Netzwerk People First Deutschland

Michael Ende (1973): Momo. Stuttgart: Thienemann-Verlag.

Karin Klebert, Einhard Schrader, Walter Straub (2003): KurzModeration. Anwendung der Moderationsmethode in Betrieb, Schule und Hochschule, Kirche und Politik, Sozialbereich und Familie bei Besprechungen und Präsentationen. Hamburg: Windmühle, überarbeitete Neuauflage

Matthias Nöllke (2006): Kreativitätstechniken. Freiburg: Haufe-Verlag 3. Auflage.

Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland (Hrsg.) (2004): Wörterbuch für leichte Sprache. Kassel: Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V., 5. überarbeitete Auflage

Josef: Seifert: (2007) Visualisieren, Präsentieren, Moderieren. Offenbach: Gabal 23. überarbeitete Auflage

Josef Seifert (2006): Moderation und Kommunikation. Offenbach: Gabal, 5. Auflage.

Reinhard Sellnow (2004): Die mit den Problemen spielen... Ratgeber zur kreativen Problemlösung. Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 10, Bonn: Stiftung Mitarbeit, 4. Auflage.